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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 17 Madoka

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 17 Madoka

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 17 Madoka
Autoren: Martin Clauß
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Lämpchen ausknipsen können. Wir konnten jede Sekunde eingreifen. Die Situation war die ganze Zeit über unter Kontrolle. Bis … dieses Gör hier kam.“
    „Wer ist das?“, fragte ein bulliger Pfleger. „Woher hatte sie, verdammt noch mal, eine Karte? Wenn der Chef erfährt, dass einer von uns nicht auf seine Karte aufgepasst hat, gibt’s Ärger.“
    Doch der Mann, der die bewusstlose Fünfzehnjährige auf den Arm genommen hatte, schüttelte nachdenklich den Kopf.
    „Es wird Ärger ganz anderer Art geben. Ich kenne die Kleine. Der Chef hatte sie vor Jahren schon mal dabei. Das ist Madoka, die Tochter des Doktors persönlich.“
    „Die Tochter? Ja, aber …“ Der Pfleger machte seinem Spitznamen alle Ehre und glotzte den ohnmächtigen Mann in der Fischerkluft an. „Ist das da denn nicht ihr …“
    „Genau“, sagte der andere. „Ein richtiges Familientreffen.“

4
    Japan, 1997
    Sie hatte das Badewasser eingelassen.
    Kalt, wie sie es liebte.
    Wie die meisten Japaner, mochte auch ihr Vater sein Bad heiß und dampfend, und Madoka hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, erst Stunden nach ihm in die quadratische Wanne zu steigen, um sich nicht zu verbrühen. Auch wenn das bedeutete, dass sie erst spät in der Nacht ein Bad nehmen konnte. Sie hatte sich über die Jahre einen merkwürdigen Rhythmus angewöhnt – sie ließ das Wasser ein, wenn ihr Vater nach Hause kam, und legte sich dann schlafen. Erst gegen Morgen erwachte sie und nahm ein kaltes Bad.
    In Japan ist es üblich, allabendlich zu baden. Vorher wäscht man sich vor der Wanne mit einer Handdusche gut ab und steigt dann zur Entspannung in das heiße Bad. Da man vollkommen sauber ist, wenn man sich in die Wanne sinken lässt, benutzen alle Familienmitglieder dasselbe Badewasser nacheinander.
    An jenem Tag hatte Madoka den Wecker für vier Uhr gestellt – eine Zeit, zu der ihr Vater unter Garantie schlief. Es war eine besondere Nacht.
    Madoka hatte sich vorgenommen, den Sonnenaufgang nicht mehr zu erleben.
    In den letzten Monaten war mehr auf sie eingestürmt, als sie ertragen konnte. Sie musste ein Ende machen, ehe sie den Verstand verlor. Die Vorstellung, verrückt zu werden, war für sie schrecklicher als die Vorstellung zu sterben. Vielleicht lag es an ihrer Intelligenz, vielleicht daran, dass sie einen Psychiater zum Vater hatte.
    Ihr nächtliches Abenteuer hatte alles zerstört.
    Eines der riskantesten, heikelsten Experimente von Dr. Fumio Andô war durch ihr Eindringen in die Klinik unterbrochen worden. Und nicht nur das. War es ihm bislang stets gelungen, seine Therapien vor der Öffentlichkeit zu verbergen, hatten seine Patienten diesmal alles an die Medien weitergegeben.
    Die Wellen schlugen hoch, Dr. Andô und seine Klinik dominierten wochenlang die Schlagzeilen, und unzählbare Gerichtsverfahren liefen an. Nach zwei Wochen musste die Klinik geschlossen werden, nach drei Monaten wurde Dr. Andô die medizinische Lizenz entzogen, und selbst jetzt, nachdem ein halbes Jahr vergangen war, gab es keinen Tag, an dem Madokas Vater nicht in einem Gerichtssaal saß oder sich mit seinen Anwälten zu Beratungen traf. Die Reporter, die monatelang das Haus belagert hatten, zogen sich allmählich zurück, doch noch immer hielten sich hartnäckige Journalisten und schossen Fotos, sobald Madoka oder ihr Vater das Haus verließen.
    Dr. Andôs Theorien wurden jetzt in Wissenschaftlerkreisen ebenso heiß diskutiert wie in Kneipen zu warmem Sake – oder zu Bohnenkuchen bei den Teekränzchen müßiger Hausfrauen.
    Die jungen Patienten, die Dr. Fumio Andô annahm, entstammten ausnahmslos wohlhabenden und einflussreichen Familien aus Tôkyô. Geheimhaltung war oberste Priorität, denn unter ihnen waren die Kinder mächtiger Konzernchefs ebenso wie die Sprösslinge berühmter Persönlichkeiten aus Film und Fernsehen. Nachrichten über den Suizidversuch eines dieser Jugendlichen konnten das Ende einer Karriere und jahrelange negative Medienpräsenz bedeuten.
    Die Depressionen, die Dr. Andô behandelte, waren besonderer Art. Sie unterschieden sich von denen gewöhnlicher Jugendlicher, hatten wenig mit den üblichen Sorgen und Problemen Heranwachsender zu tun. Die Söhne und Töchter dieser reichen Familien waren verwöhnte, eitle Geschöpfe, ihren eigenen ständig wechselnden Launen unterworfen, orientierungslos und alleine kaum lebensfähig. Sie lebten von einem Einkaufsbummel zum nächsten, versanken alle Naselang in brütender Melancholie und sahen keinen anderen
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