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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 17 Madoka

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 17 Madoka

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 17 Madoka
Autoren: Martin Clauß
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begegnete zwei Betrunkenen, die sie zwar anzumachen versuchten, sie aber glücklicherweise nicht kannten, und nahm sich am Bahnhofsvorplatz ein Taxi. Um dem Taxifahrer keinen unnötigen Grund zum Nachgrübeln zu geben, ließ sie sich nicht vor der Klinik absetzen, sondern dreihundert Meter weiter vor einem Convenience Store, einem kleinen Supermarkt, der 24 Stunden geöffnet hatte. Von dort aus lief sie durch den Park zur Anstalt.
    Wie erwartet war die Pforte nicht mehr besetzt, das Licht in dem kleinen Raum erloschen, der Rentner nach Hause gegangen. Die Tür war freilich verschlossen, doch kaum hatte sie die gelbe Chipkarte in den Leseschlitz geschoben, ließ sie sich mühelos aufdrücken. Madoka hatte keine Ahnung, ob irgendwo im Inneren des Gebäudes auf einer Konsole ein Licht anging oder ein Ton erklang, wenn sich die Tür öffnete. Sie musste einfach darauf hoffen, dass das nicht so war.
    Ja, warum tat sie das? Warum drang sie in die Klinik ihres Vaters ein wie der sprichwörtliche Dieb in der Nacht? Wenn man sie erwischte, würde es ein Donnerwetter geben, daran bestand kein Zweifel.
    Sie tat es, weil sie wissen wollte, was genau ihr Vater tat.
    Obwohl sie sich für seine Arbeit interessierte, speiste er sie nur mit Ausflüchten ab. Madokas Wissensdurst war enorm, und dazu gehörte auch, dass sie die Geheimnistuerei ihres Vaters nicht mehr ertragen konnte. Er schirmte alles, was seine Arbeit anbelangte, so vollkommen von der Öffentlichkeit und auch von ihr ab, dass man meinen konnte, er würde verbotene Dinge tun.
    Madoka wusste nur das, was jeder Bürger Japans sporadisch aus den Medien erfahren konnte. Dass Dr. Fumio Andô in erster Linie Depressive behandelte, dass er als ebenso erfolgreich wie unkonventionell galt. Dass er unablässig an neuen Methoden der Behandlung von Suizidgefährdeten arbeitete. Welche Methoden waren das? War das, was er tat, gefährlich? Gefährlich für ihn oder für seine Patienten? Warum schrieb er keine Bücher oder Aufsätze über seine Forschung, wie andere das taten?
    Madoka fand, dass sie als seine Tochter das Recht hatte, etwas mehr zu erfahren als die Öffentlichkeit. Wenn ihr Vater nicht genügend Vertrauen zu ihr hatte, um ihr ein Geheimnis anzuvertrauen, stand ihr ihrerseits das Recht zu, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen. Sie hatte sich schon lange mit dem Gedanken getragen, sich in die Klinik einzuschleichen, doch er trug seine Chipkarte stets am Leib. Nicht einmal, wenn er ein Bad nahm, ließ er sie in seinem Zimmer zurück. Als Tamie Hagiwara heute vor ihrer Haustür gestanden hatte, hatte sie sich entschlossen, es auf einen Versuch ankommen zu lassen.
    Und jetzt war sie im Inneren der Klinik!
    Nicht zum ersten Mal, denn Vater hatte sie in all den Jahren zwei oder drei Mal mitgenommen, wenn ihr Quengeln zu schlimm wurde, hatte ihr jedoch nur einige oberflächliche Dinge gezeigt. Madoka war nicht entgangen, dass es eine unterirdische Station gab und dass er alles tat, um das Gespräch nicht darauf kommen zu lassen.
    Sie schlich am Überwachungsraum vorbei. Er war noch besetzt. Drei Männer starrten rauchend und blinzelnd auf die Monitore. Leergetrunkene PET-Flaschen lagen vor ihnen auf den Tischen. Madoka atmete auf, als sie an ihrem Fenster vorbei war. Zum Glück lag der bis neun Uhr hell erleuchtete Gang jetzt im Dunkeln, sonst hätte sie bestimmt einer der Männer in den Augenwinkeln wahrgenommen.
    Wo es zum Untergeschoss ging, wusste sie. Mit Sicherheit gab es einen Nachtdienst, der ihr über den Weg laufen konnte, und die Gefahr, dass sie auf den Überwachungsbildschirmen auftauchen würde, unterschätzte sie ebenso wenig. Wahrscheinlich hatte sie nur ein paar Sekunden oder Minuten, um sich dort unten umzusehen. Sie musste sich beeilen. Was sie wusste, wusste sie, was sie einmal sah, vergaß sie nicht so schnell wieder.
    Sie hatte nur eine Chance, und die musste sie nutzen. Vielleicht war sie ein besonders mutiges Mädchen. Vielleicht war da einfach nur etwas in ihr, das ihr Sicherheit gab. Das ihr Schutz versprach, schon ihr ganzes Leben lang.
    Der kurze Flur, der auf die Eisentür zuführte, wies keine Kamera auf. Wozu auch? Madoka steckte die Karte in den Schlitz und wartete auf einen Alarm. Ihre Sorge war unbegründet. Der metallene Arm öffnete die schwere Tür mit einem erstaunlich leisen Summen. Als sie sich wieder hinter ihr schloss, kam sie sich gefangen vor und vergewisserte sich, dass sie die Karte noch hatte. Von jetzt an musste sie
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