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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 1 Schnitt

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 1 Schnitt

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 1 Schnitt
Autoren: Martin Clauß
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sind meine Wirklichkeit. Wenn ich mich andererseits hier umsehe ...“ Er ließ seine Blicke durch das Esszimmer schweifen, über die Möbel, bis sie bei ihr angelangt waren. „Das alles kommt mir unwirklich vor. Sepiafarben. Körnig.“
    Ekaterini war sehr ernst, als sie sagte: „Piet, dann wird es höchste Zeit, dass du weniger arbeitest und deinen Kopf mit anderen Dingen beschäftigst.“
    „Nein, genau das ist nicht die Lösung! Ich habe Jahre gebraucht, um meine Wirklichkeit zu erforschen. Jetzt, wo sie sich mir immer mehr enthüllt, wo sie immer realer wird, kann ich sie nicht einfach wegschließen wie ... ein paar lästige Erinnerungen.“
    Ein langes Schweigen schloss sich an. Der Kaffee dampfte noch immer. Kaum zwei Minuten waren vergangen seit dem Beginn dieses unglaublichen Gesprächs.
    Ekaterini versuchte sich zu beruhigen. Sie betrachtete ihren Mann schon seit langem mit Sorge. Vielleicht hatte sie sogar längst mit einem solchen Ausbruch gerechnet, ohne es sich eingestehen zu wollen. Dass er ein Workaholic war, besessen von seiner Arbeit, hatte sie bereits vor der Hochzeit gewusst. Dass er auf der Grenze zum Wahnsinn balancierte, war ihr etwas später aufgegangen. Offenbar war nun der Zeitpunkt gekommen, von dem an es nicht mehr nur eine Ahnung sein würde.
    „Ich weiß, was du denkst, Kati“, meinte er. „Aber verrückt, das bin ich wirklich nicht. Verstehst du? Renne ich kichernd durchs Haus? Höre ich Stimmen? Entdecke ich schreckliche Verschwörungen um mich herum? Nein, ich denke nüchtern über eine schwierige Situation nach. Ich mache vernünftige Lösungsvorschläge.“
    „Das ... das nennst du vernünftig?“
    „Ja, das tue ich. Wenn ich mir einbilden würde, die Spuren eines Liebhabers zu sehen, wo es keinen gibt, wäre ich verrückt, nicht wahr? Ich weiß, dass du keinen hast. Dafür sehe ich, dass du einen brauchst.“
    „Ach ja? Und warum bist du da so sicher? Vielleicht, weil diese Realität für dich nur wie ein Film ist, eine Inszenierung, und weil in einem Film eine vernachlässigte Ehefrau eben einen Liebhaber hat?“
    Piet antwortete darauf nichts.
    „Ich bin nahe an der Wahrheit, nicht wahr?“
    Der Mann erhob sich. „Es tut mir leid“, sagte er. „Was ich sage, kommt nicht bei dir an.“
    Ekaterini sah ihm nach, als er das Zimmer verließ, und sie begann zu ahnen, dass sie ihren Mann bald verlieren würde. Die Situation kam ihr unecht vor. Sepiafarben. Körnig. Der Dialog, den sie gerade geführt hatten, schien nicht der Realität zu entwachsen, sondern einem Drehbuch.
    Und nicht gerade dem besten.

2
    Noch am selben Abend geschah es.
    Es war gegen halb zwölf, Zeit für Piet, seine Arbeit für heute zu beenden. Er ging selten nach Mitternacht zu Bett. Stattdessen stand er lieber morgens schon zwischen vier und fünf Uhr auf, um seinen 16-Stunden-Tag zu beginnen.
    Öfters, wenn er von der Arbeit Kopfweh bekam, schnappte er noch für ein paar Minuten vor dem Haus frische Luft, ehe er sich schlafen legte. So auch an diesem Abend. Er verstaute die Filme, an denen er arbeitete, in dem verschließbaren Schrank, verriegelte auch die Tür des Labors hinter sich und ging die Treppe hinauf. Dort gab es noch eine Tür, die ebenfalls verschließbar war.
    Drei Portale wie im Märchen.
    Piet Dochtermanns Arbeitsplatz war ein geräumiges Untergeschoss in dem Haus, in dem er auch wohnte. Ein vierzig Quadratmeter großes Labor und mehrere Nebenräume bildeten sein Reich.
    Er war Filmrestaurator, einer der wenigen Selbständigen in dieser Branche. Erfolgreich bewältigte Spezialaufträge für die Constantin Film, die Miramax und Castle Rock Entertainment hatten genügend abgeworfen, um teure Geräte anzuschaffen, um die ihn so manches größere Unternehmen beneidete.
    Er war ständig mittendrin in der Entwicklung neuer Techniken, um aus Jahrzehnte alten, schlecht gelagerten Originalen oder abgenutzten Kopien das Beste herauszuholen.
    Es kam jedoch nicht auf die Technik allein an – in vielen Fällen war Handarbeit gefragt, ein handwerkliches, mehr noch, ein künstlerisches Geschick, tiefstes Einfühlungsvermögen in die Charakteristika des jeweiligen Filmes und in die Umstände, die zu seinem schlechten Zustand geführt hatten. Ein guter Filmrestaurateur musste den Weg nachspüren können, auf dem die zu restaurierenden Objekte in die Gegenwart gekommen waren. Er musste verstehen, auf welche Weise der Zahn der Zeit an dem Material genagt hatte, und anschließend musste er das Rad
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