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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 1 Schnitt

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 1 Schnitt

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 1 Schnitt
Autoren: Martin Clauß
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zurückdrehen.
    Er hatte das Ewige hinter dem Vergänglichen zu erkennen und zu versuchen, diesem wieder näher zu kommen. Es war in der Tat vor allem eine künstlerische Tätigkeit, trotz der vielen nüchternen Gerätschaften, die dafür nötig waren.
    Auch wenn man in anderen Firmen jetzt anfing, digitale Techniken einzusetzen, blieb Piet Dochtermann den analogen Methoden treu. Er war kein Programmierer und wollte keiner werden. Ihm war der intuitive Kontakt zu seinen Arbeitsmaterialien noch wichtig.
    Diesen Kontakt vermochte er herzustellen wie kein anderer. Es war, so hatte einmal eine Fachzeitschrift geschrieben, als tauche Dochtermann vollkommen in die Bilderwelt des Filmes ein, den er wiederherstellte. Als werde er eins damit, als könne er nicht nur die Formen und Farben erkennen, die noch auf dem Zelluloid übrig waren, sondern spüren , wie sie einst ausgesehen hatten.
    Tatsächlich besaß Piet diese Fähigkeit. Er hatte sich nie den Kopf darüber zerbrochen, woher sie kam. Es war nicht wichtig. Es war für die Monroe nicht wichtig gewesen, zu wissen, woher sie ihren Sex Appeal hatte. Was im Leben zählte, war, dass man solche Gaben einsetzte.
    Piet ging durch den dunklen Flur zur Haustür, ohne Licht zu machen, offen und gelöst wie ein angetrunkener Italiener. Es tat gut, seine Augen, die den ganzen Tag lang aufmerksam hingesehen hatten, in entspannende Dunkelheit zu tauchen. Wenn er etwas fürchtete, dann, dass seine Augen der enormen Belastung eines Tages nicht mehr Stand halten würden.
    Er atmete durch, fühlte sich tief befriedigt. Wieder hatte er einen Tag hindurch getan, was nur er konnte. Er war zufrieden mich sich. In seinem ganzen Leben hatte er nur einen einzigen großen Fehler gemacht – das war die Heirat mit Ekaterini gewesen.
    Nicht, dass er sich die Ehe mit einer anderen gewünscht hätte. Bis heute war er verliebt in die Tochter griechischer Gastarbeiter.
    Doch gerade aus diesem Grund hätte er sie nicht zu seiner Frau machen dürfen. Es musste schrecklich für eine Frau sein, in einer Ehe zu stecken und zu wissen, dass sie von ihrem Mann nicht wahrgenommen wurde. Dass er durch sie hindurch sah, wenn sie sich gegenüberstanden. Dass er mit seinen Gedanken niemals vollständig bei ihr war, sondern stets bei den Bildern, bei den Tausenden von Einzelbildern, die ihn auch dann nicht losließen, wenn er den Blick von ihnen abwandte und etwas anderes ansah.
    Es bedrückte Piet, dass er an dieser Tatsache nichts ändern konnte. Wenn er vor dem Schlafengehen vor sein Haus trat, sah er zu den Sternen empor und fragte sich, ob sie real waren. Das Licht, das sie ihm schickten, war um ein Vielfaches älter und fragwürdiger als die Farben auf den alten Filmen. Es fiel ihm schwer, eine Beziehung zu den Sternen aufzubauen. Seine Sterne waren die Stars der Filme und das Licht, das die Projektoren durch ihre verblassenden Abdrücke hindurch sandten.
    An diesem Abend war es empfindlich kalt, die Luft windstill, aber feucht. Der Rasen des kleinen Vorgartens war von einer schimmernden Schicht bedeckt – Schnee, der im Sonnenlicht des Tages aufgetaut und in der Kälte der Nacht wieder gefroren war, mehrmals. Jeden Abend sah er ein wenig härter aus.
    Das Haus der Dochtermanns lag in dem nördlichen Bonner Stadtteil Buschdorf. Gewöhnlich begegnete Piet zu dieser späten Stunde kaum mehr jemandem. An diesem Abend jedoch war ein Schatten zu sehen, den Bewegungen nach ein junger Mann, groß und schlaksig. Er kam die Straße herunter und näherte sich dem Haus. Seine Schritte waren ungeheuer gleichmäßig, konstant, beinahe wie die eines Mannequins auf dem Laufsteg.
    Die Art, wie er ging, hatte etwas Unnatürliches.
    Piet, der zwei Schritte in den Garten hinein gemacht hatte, zog sich wieder zur Tür zurück.
    Es dauerte eine halbe Minute, dann hatte der Fremde das Haus erreicht. Piet, der erwartete, dass der junge Mann weitergehen würde, erstarrte, als dieser einen Bogen beschrieb, ausgerechnet auf sein Gartentor zulief und dort stehen blieb.
    Der Filmrestaurateur versuchte, das Gesicht des Fremden zu erkennen. Es lag tief in den Schatten.
    Was er erkennen konnte, war das merkwürdige, runde, schimmernde Objekt, das der Hagere in der linken Hand hielt.
    Drei, vier Sekunden lang sahen sich die beiden Männer an.
    Plötzlich vollführte der ganze Körper des Fremden eine schwenkende, rudernde Bewegung, als sei er aus Gummi. Das Objekt verließ die Hand des Mannes und wurde geradewegs in Piets Richtung
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