Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 1 Schnitt

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 1 Schnitt

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 1 Schnitt
Autoren: Martin Clauß
Vom Netzwerk:
geschleudert.
    Ehe es sein Gesicht treffen konnte, explodierte es. Ein gleißend heller Lichtblitz, wie er ihn nie zuvor gesehen hatte, brannte sich in seine Augen.
    Der Schmerz und der Schrecken ließen ihn ohnmächtig werden, ehe er einen Schrei ausstoßen konnte. Es war, als würde er von den Augen her ausradiert. Als fließe das Licht durch seine Pupillen und löse sein Inneres auf, schmerzlos, aber konsequent. Sein Körper fiel nach hinten, schlug gegen die nur angelehnte Haustür, und rutschte daran herab, während diese nach innen schwang.
    Reglos und langgestreckt blieb Piet Dochtermann auf der Schwelle seines Hauses liegen.

3
    Nicht zu sehen, was um ihn herum vorging, nur die eiligen Schritte in den Korridoren, die geschäftigen Stimmen der Sanitäter, Schwestern und Ärzte zu hören, die Desinfektionsmittel zu riechen, ein bitteres Medikament auf seiner Zunge zu schmecken, die Kanüle in seinem Arm zu spüren – dies war eine so neue und unwirkliche Erfahrung für Piet, dass er lange brauchte, um sie als Realität zu akzeptieren.
    „Meine Augen“, krächzte er. Irgendetwas steckte breit und sperrig in seinem Mund und machte ihm das Sprechen beinahe unmöglich. „Meine Augen! Ich kann nichts sehen!“
    Er wusste nicht, wie oft er diese Feststellung wiederholte, an dem Fremdkörper zwischen seinen Zähnen vorbei. Es war wie ein Zwang.
    Er verstand, dass ihm etwas zugestoßen war und er sich in einem Hospital befand. Alle paar Sekunden drängte es ihn dazu, die unsichtbaren Ärzte in seiner Umgebung auf die Stelle seines Körpers aufmerksam zu machen, die ihm die wichtigste war.
    Er hatte nicht das Gefühl, dass man sich überhaupt um seine Augen kümmerte. Man hantierte zu viel an seinen Armen, an seinem Mund herum. Er musste den Leuten doch begreiflich machen können, wo sie ihn zu behandeln hatten!
    Irgendwann kehrte mehr Ruhe um ihn herum ein.
    Er lag still in einem gut beheizten Raum. Die pfeifenden Geräusche von ein, zwei Maschinen waren zu hören, und die Stimmen von zwei Ärzten, die miteinander sprachen, leise, von ihm abgewandt.
    Dann nahm jemand vorsichtig die Bandagen von seinen Augen.
    Er hatte nicht einmal gewusst, dass dort Bandagen gewesen waren.
    Als sie verschwunden waren, sah er noch immer nichts. Aber er wurde müde. So müde, dass er glaubte, es sei die Müdigkeit des Todes, die ihn einzuhüllen begann.

4
    Die nächste Zeit sollte die schlimmste in Piet Dochtermanns Leben werden.
    Auch zwei Tage nach der Einlieferung in die Klinik hatte er seine Sehkraft nicht zurückgewonnen. Sein rechtes Auge war vollkommen blind, und mit dem linken konnte er nur verwaschene Umrisse erkennen. Menschen sahen wie Möbelstücke aus und umgekehrt.
    Er verbrachte Stunden damit, seine Augen gewaltsam zusammenzukneifen, um mehr zu erkennen. Er presste die Augäpfel regelrecht aus, versuchte sie dazu zu zwingen, etwas zu sehen, aber das war natürlich unmöglich. Eine dicke Wand aus gefrorener Milch hatte sich zwischen ihn und die Welt geschoben, und es gelang ihm nicht, ein Loch hineinzureißen.
    Der Chefarzt Dr. Fischer erklärte ihm, welcher Art sein Problem war, medizinisch gesprochen.
    Die Cornea, die Hornhaut beider Augen, war – möglicherweise durch die Einwirkung einer Säure – so stark verletzt worden, dass sie praktisch undurchsichtig geworden war. Bei der Hornhaut handelte es sich um die oberste, gläsern wirkende Schicht, die das menschliche Auge bedeckte. Obwohl sie am Sehprozess nicht direkt beteiligt war, sondern das darunter liegende Sehorgan nur schützte, konnte die Wahrnehmungsfähigkeit stark beeinträchtigt werden, wenn sie verletzt war.
    In Piets Fall war die Hornhaut fast vollkommen lichtundurchlässig geworden und wies extreme Beschädigungen auf. Das Wort „Kraterlandschaft“ fiel.
    „Ehe Sie mich fragen, ob Sie jemals wieder sehen können“, meinte die dunkle Stimme des Arztes, von dem Piet nicht wusste, wie er aussah, „möchte ich Ihnen Hoffnung machen.“
    „Ja?“ Piet richtete sich in seinem Bett auf.
    „Unter gewissen … Vorbehalten natürlich. Die Untersuchungen, mit denen wir Sie in den letzten Tagen plagen mussten, legen die Vermutung nahe, dass Retina, Linse und alle anderen wichtigen Teile des Auges bei Ihrem Unfall nur … unwesentlich in Mitleidenschaft gezogen wurden. Das bedeutet, dass Ihre Chancen ordentlich stehen, nach einer Transplantation der Hornhaut einen akzeptablen Grad an Sehkraft wieder zurückzugewinnen.“
    „Einen akzeptablen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher