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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 1 Schnitt

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 1 Schnitt

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 1 Schnitt
Autoren: Martin Clauß
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Grad?“
    „Mit viel Glück hundert Prozent. Wahrscheinlich etwas weniger. Aber es spricht alles dafür, dass Sie am Ende wieder sehen werden.“
    „Eine Transplantation?“ Piet konnte nicht verbergen, welche Panik diese Vorstellung in ihm auslöste. Er ließ sich wieder zurück ins Bett fallen, um sich zu beruhigen. Hätte er noch sehen können, dann hätte er irgendeinen Gegenstand fixieren und sich darauf konzentrieren können. So kam er sich hilflos vor, unfähig, einen Schutzwall gegen das aufzubauen, was der Mediziner da von sich gab.
    „Hornhauttransplantationen gehören zu den häufigsten und risikoärmsten Organverpflanzungen“, vernahm er die dozierende Stimme. „Die Gefahr, dass es zur Gewebeabstoßung kommt, liegt weit unter fünf Prozent. Es sind höchstens mindere Infektionen zu befürchten, die aber mit Antibiotika kurabel sind und äußerst selten ...“
    „Man wird mir die Hornhaut eines anderen Menschen einpflanzen?“, unterbrach ihn Piet. „Eines toten Menschen?“
    „Eines Spenders, ja.“
    „Und wenn ich mich weigere?“
    Der Arzt, dessen Stimme eben noch gewirkt hatte, als wisse er auf jede Frage dieses Universums eine Antwort, verstummte. „Herr Dochtermann“, begann er nach einer Weile, sprach aber nicht weiter.
    „Gibt es keine Alternative? Kann man das nicht ... behandeln?“
    „Eine Cornea, die so weit zerstört wurde wie die Ihre ...“ – der Arzt sog geräuschvoll die Luft ein – „... ist irreparabel. Man kann sie nur austauschen.“
    „Nichts ist irreparabel!“, zischte Piet plötzlich. „Hören Sie! Ich restauriere Filme, die im Begriff sind, zu Staub zu zerfallen, die kaum mehr einen Hauch von Farbe enthalten, die für das ungeübte Auge nur noch aus einem grauen Rauschen zu bestehen scheinen ... Unmöglich ist ein Wort, das ich nicht kenne!“
    „Ich bin über Ihren Beruf informiert“, meinte der Arzt mit reserviertem Ton. „Ich weiß auch, dass Sie sehr gut in dem sind, was Sie tun. Aber dies hier ist eine andere Disziplin. Hier müssen Sie mir schon vertrauen.“
    Piet war noch nicht fertig. Vertrauen war noch nie seine Stärke gewesen, und in der Situation, in der er sich befand, nach dem, was ihm zugestoßen war, würde sich das nicht ändern.
    Er nahm einen neuen Anlauf: „Wenn Sie so viel von Ihrem Fachgebiet verstehen würden, Doktor, wie ich von dem meinen, dann würden Sie einen anderen Weg finden! Noch habe ich meine eigenen Augen!“
    Geräusche sagten ihm, dass der Arzt aufgestanden war und zur Tür ging. „Ich denke, mit dieser Einstellung werden Sie nie mehr einen Film restaurieren“, sagte der Mediziner mit gepresster Stimme, ehe er das Zimmer verließ.
    Piet fluchte, drehte sich zur Seite und spürte eine schreckliche Leere in seinem Innern.

5
    Es dauerte einen Tag, ehe er bereit war, sich mit Dr. Fischer zu versöhnen. Ekaterini, die täglich Stunden an seinem Bett verbrachte, hatte ihren Teil dazu beigetragen. Sie hatte ihm unablässig die Dummheit seiner Trotzreaktion vorgehalten.
    Die beiden Männer entschuldigten sich gegenseitig für ihre Worte, der Form halber, nicht weil sie tatsächlich irgendetwas bedauerten. Als das abgewickelt war, signalisierte Piet schließlich seine Bereitschaft, über eine Transplantation zu reden. Der Gedanke, einen Teil seiner Augen wegwerfen zu müssen, erfüllte ihn noch immer mit Grauen, aber er war jetzt gewillt, sich dieser Angst zu stellen und sie zu überwinden. Welche Wahl hatte er schon? Die Transplantation abzulehnen, bedeutete noch viel mehr als für immer blind zu sein – es bedeutete, den Sinn seines Lebens zu verlieren.
    Dr. Fischer erklärte ihm mit großer Geduld die Untersuchungen und Vorbereitungen, die nun anstanden.
    Die Hornhäute, die sie einsetzten, stammten aus dem Euro-Transplantations-Zentrum im holländischen Leiden. Dort arbeitete man sehr gewissenhaft bei der Präparierung und Aufbewahrung der Spenderorgane. Die Operation selbst wurde unter Vollnarkose durchgeführt und dauerte selten länger als 30 Minuten pro Auge.
    Piet gab seine Zustimmung, die Sache ohne lange Verzögerung durchzuziehen. Er wollte nicht mehr länger Dinge abwägen, an denen es nichts abzuwägen gab. Die Schwere der Entscheidung, die er da fällte, belastete ihn so sehr, dass er weniger über den anderen Punkt nachdachte, der ihm eigentlich hätte Sorgen machen müssen.
    Es war vollkommen ungeklärt, was genau ihm an jenem Abend vor seinem Haus widerfahren war ...
    Insgesamt vier Mal in drei Tagen hatte
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