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Falkengrund Nr. 34

Falkengrund Nr. 34

Titel: Falkengrund Nr. 34
Autoren: Martin Clauß
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Schlingpflanzen sich in ihr Spiel von Umarmen und Klammern einmischten …
    „Lauren“, ächzte er. Wasser lief in seinen Mund, und er zog sich höher an dem wackeligen Kahn. „Es ist wunderschön. Aber wir müssen uns in Acht nehmen …“
    „Halt mich!“, schnaubte sie. Wasser troff aus ihrem Mund. Sie nahm seine zweite Hand und legte sie ebenfalls an den Bootsrand. Dann holte sie tief Luft, stieß sich unter Wasser, kroch an seinem Körper hinab wie an einer Leiter. Ihre Haare trieben Algenarmen gleich gegen seine Brust, ihre Lippen glitten über seinen Bauch. Er hielt den Atem an, doch sie stoppte nicht dort, wo er es halb gehofft, halb befürchtet hatte, sondern drückte sich weiter an ihm nach unten, bis er ihre Hände an seinen Schenkeln, an seinen Waden, an seinen Füßen spürte.
    Irgendein wahnsinniger Teufel ritt dieses Weib. Ihre Finger hatten sich um seine Fußgelenke geschlossen. Trent hatte Angst davor, dass sie loslassen würden. Dass Lauren einfach weiter in die Tiefe hinabsank, ohne einen Grund, ohne ihm etwas zu erklären.
    „Komm herauf“, murmelte er und zuckte vorsichtig mit den Beinen, um sie zur Rückkehr an die Oberfläche zu bewegen. Was sah sie dort unten? Was fühlte sie? Was, wenn sie ihn hinabzog?
    Plötzlich spürte er, dass sie in diesem See nicht alleine waren.
    Kleine glitschige Körper streiften ihn. Sie schwammen dicht unter der Oberfläche. Manchmal konnte er ihre Silhouetten unter dem Wasser sehen. Kräftige Fische waren es, so lang wie ein Unterarm und mehr als doppelt so dick. Eine Barschart vielleicht. Ihre schmalen, aufgerichteten Rückenflossen durchschnitten die Wasseroberfläche. Sie kamen von allen Seiten, sogar unter dem Kahn hindurch. Es war schwer zu sagen, wie viele es waren. Trent spürte, wie einer der Gesellen mit seinen kleinen Zähnen an seinem Bauch knabberte. Es war ein schwacher, nadelfeiner Schmerz, durchaus erträglich, aber in dieser Situation war auch dieses kitzelnde Pieken etwas Grauenvolles. Er schüttelte das Tier ab, und die anderen Exemplare begnügten sich damit, mit ihren klammen, ekelhaften Körpern an ihm vorbeizustreifen.
    Gehetzt sah er sich um. Für einen Moment hatte er das Gefühl, unter der Oberfläche keine Fische, sondern menschliche Gesichter wahrzunehmen. Er zog die Beine an und spürte, wie er Lauren dabei hochzog. Wie lange war sie schon unter Wasser? Luftblasen stiegen neben ihm auf.
    Lauren schüttelte wild den Kopf, als einer der Barsche sich in ihren Haaren verfing. Sie löste sich von Trent, schwebte von ihm weg. Panik griff nach ihm. Wenn die Frau tatsächlich nicht schwimmen konnte, war sie verloren. Er nahm eine Hand vom Bootsrand und tastete damit wie von Sinnen im Wasser. Fische. Er berührte nur diese kalten glatten Fischleiber. Um ihn herum schien es von ihnen zu wimmeln.
    Da! Er bekam eine Haarsträhne zu fassen, zog daran. Laurens Körper trieb weiß unter der Oberfläche heran, er packte sie unter einer Achsel und riss sie nach oben.
    Ihr Gesicht schien sich für einen Augenblick in einen riesigen Mund zu verwandeln, der gierig den Sauerstoff einsog. Sie sah jetzt hässlich aus, ein seifiges, fahles, nasses Ding aus dem See. „Es ist gut. Es ist gut“, brabbelte er mit vor Kälte und Angst unverständlich gewordener Stimme, und am meisten sagte er es zu sich selbst.
    Sie musste ins Boot. Mit aller Kraft versuchte er Lauren in den Kahn zu hieven. Doch er hatte dafür nur eine Hand. Wenn er die andere vom Holz löste, würde er selbst untergehen. Die Fische wurden unruhiger, schossen aus dem Wasser hervor, und dabei erinnerten sie noch mehr an die Köpfe von Ertrinkenden, die auftauchten und verzweifelt nach Luft schnappten.
    Trent brüllte seine Angst hinaus, als er den nackten Körper nach oben wuchtete. Es misslang – der schlaffe Leib rutschte ab, klatschte zurück ins Wasser, drohte unterzugehen. Trent versuchte es noch einmal. „Aufwachen!“, schrie er. „Aufwachen!“ Lauren schlug tatsächlich die Augen auf. Zuerst klammerte sie sich an ihn, dann an das Boot. Ihr rundlicher Körper glitt in den Kahn, ihre Füße ragten wie die einer Toten über den Rand hinaus.
    Trent trat nach den Fischen und zog sich selbst keuchend aus dem Wasser. Das Boot neigte sich dabei bedenklich zur Seite, und Wasser schwappte hinein, aber nicht genug, um es kentern zu lassen. Hastig zog er die Riemen unter der nur langsam zu sich kommenden Lauren hervor.
    Er musste diesen Ort verlassen, sofort. Es reichte ihm nicht, im Boot
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