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Falkengrund Nr. 34

Falkengrund Nr. 34

Titel: Falkengrund Nr. 34
Autoren: Martin Clauß
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gesehen, Lauren. Sie und eine Vision dessen, was er mit ihr tun würde. Der See und das Mondlicht waren Requisiten gewesen, vor denen er sie verführen würde.
    Nun bemerkte er, dass die Requisiten umklappten und sich gegen ihn wandten. Dass der kantige Kahn aus einem bestimmten Blickwinkel wie ein Sarg aussah, dass der Steg leicht schwankte, als plane er wegzukippen, ehe sie wieder zurück waren. Er bemerkte, dass der Mond wie ein krankes, gelbliches Auge auf sie herabblickte. Und er bemerkte, dass Lake Easton in Wirklichkeit nichts war als ein nasses Tuch, unter dem sich alles, aber auch wirklich alles verbergen konnte. Unbehaglich sah er sein weibliches Gegenüber an.
    Es war schön, dass Lauren ihm hier vollkommen ausgeliefert war. Er schätzte das.
    Weniger schön war es, dass er ihr ebenso ausgeliefert war. Er kannte sie kaum. Was wollte sie von ihm?
    „Das Seil, Trent“, erinnerte sie ihn.
    Er löste es. Es war ein unbeschreiblich schreckliches Gefühl, obwohl nichts weiter geschah. Der Kahn trieb ohne Halt kaum merklich von der Anlegestelle weg, auf die Mitte des Sees zu, als gebe es eine Strömung. Es war ein Fehler gewesen herzukommen. Schon viele wildromantische Orte hatte er in glühende Liebesnester verwandelt, doch dieser See war ihm nicht geheuer. Was war es, was Lauren hinter ihm gesehen hatte? Und warum hatte sie plötzlich Lust, dennoch hinauszufahren?
    „Verspüren Sie keine Angst?“, wollte er wissen. Er suchte nach den Riemen, und es dauerte eine Ewigkeit, bis er sie fand.
    „Ein wenig Angst kann sehr stimulierend sein.“
    Er ließ die Riemen ins Wasser klatschen und begann sie kreisen zu lassen. Lauren sah immer nur ihn an, und er fühlte sich beobachtet. Ja, sie hatte recht. Es reizte ihn, wenn seine Partnerin sich ein wenig fürchtete. Dann fühlte er sich überlegen, glaubte, die Situation in der Hand zu haben. Aber er hatte nie gedacht, dass eine Frau das Angstgefühl genießen würde. War das der Grund, warum sie hinausfuhren? Machte die Gänsehaut sie … begierig?
    Kein Lüftchen ging. Die Stürme und Regenfälle der letzten Tage hatten den Himmel reingewaschen. Es gab kein Wetter. Die Welt war leer und neutral. Sogar die Dunkelheit war hell vom Mondschein. Die Baumwipfel am Ufer bewegten sich kaum. In der Nähe gab es ein leises Platschen, vermutlich ein Fisch, der für einen Moment die spiegelglatte Oberfläche durchstoßen hatte. Da waren Wellen zu sehen, keine fünf Yard vom Boot entfernt.
    Lauren räkelte sich. „Eine wundervolle Nacht“, stöhnte sie. Ihre rechte Hand ragte über den Rand des Bootes hinaus, ihre weißen Finger plätscherten im Wasser. Die andere Hand lag wie zufällig auf ihrer Brust. Man hätte sie so malen müssen. Sie sah hinreißend aus.
    Am Ufer knackte Holz, eine Unruhe entstand, nach einigen Sekunden war es wieder still. Irgendein Tier. Trent registrierte verärgert, dass seine Hände feucht geworden waren und an den Riemen auf und ab rutschten.
    „Sie haben nichts gesehen, nicht wahr?“, fragte er nach einer Weile. „Das war nur Theater. Ihnen gefiel nicht, dass ich so selbstsicher war, und Sie wollten mich aus dem Konzept bringen. Das ist Ihnen gelungen. Gott, meine Stimme zittert sogar. Ist das wirklich meine Stimme?“ Er fühlte sich scheußlich.
    Sie legte den Kopf in den Nacken und lachte silberhell. „Ich habe ihn gesehen“, beharrte sie. „Er stieg aus dem See wie aus einem Sarg, gleich da vorne.“ Sie wies vage in die Nacht. „Aber reden wir von etwas anderem. Haben Sie keine Lust auf ein Bad, Trent?“
    Er war unfähig, etwas zu erwidern. Ungläubig beobachtete er, wie sie langsam ihren Kragen öffnete, das Kleid abstreifte, das Mieder freilegte, aus dem üppige weiße Brüste quollen. Sie löste die Schleifen und Knoten, die das Korsett verschnürten und schlüpfte schließlich ganz heraus. Kichernd stand sie auf, balancierte auf dem schwankenden Boot und streifte ihren Rock nach unten, dann den Unterrock und den nächsten Unterrock, bis sie splitternackt im Mondlicht vor ihm stand. Ihre Taille war jetzt nicht mehr die einer Wespe, sondern die einer sinnlichen Frau, die Schenkel dick, ihre Hüfte etwas plump, aber von junger, lockender Weiblichkeit.
    „Wollen Sie mir nicht Gesellschaft leisten?“, fragte sie. „Es war ein heißer Sommer – das Wasser ist nicht kalt. Es ist womöglich wärmer als die Luft.“ Sie kam auf ihn zu, ihr Körper war zum Greifen nah. „Was zögern Sie, Trent? War es das nicht, was Sie wollten?
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