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Falkengrund Nr. 34

Falkengrund Nr. 34

Titel: Falkengrund Nr. 34
Autoren: Martin Clauß
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mir etwas Eigenartiges. Durch einen komplizierten Fluch, an dem ich selbst mitgewirkt habe, wurde ich mehr als zweihundert Jahre in die Vergangenheit versetzt. Ich reiste auf dem Fliegenden Holländer und auf anderen legendären Geisterschiffen.“ (siehe Falkengrund Episoden 21 – 24)
    „Es war eine abenteuerliche Zeit“, schwärmte der Bookstabber. „Ich habe diese Reisen sehr genossen, wirklich. Damals warst du noch ein Teil von mir.“
    „Wohl eher umgekehrt“, verbesserte Sir Darren. „Ich verstehe jetzt zum ersten Mal, was der Impuls war für den Sog, der mich in die Vergangenheit riss. Der seltsame kreisförmige Fluch, den ich in Amsterdam wob und der sich selbst bedingte, war mir als alleinige Erklärung immer ein wenig zu … fadenscheinig, zu kurios. Hinter der Sache steckte etwas anderes, und was, das ist mir eben erst klargeworden.“
    „Na, Glückwunsch“, grinste der Bookstabber.
    „Es war Lorenz von Adlerbrunn. Oder besser: das Stück von ihm, das ich beherbergte. Es drängte in mir unablässig in Richtung Vergangenheit, und als ich in Amsterdam in diesem eigentümlichen Club für Gespenster strandete …“
    „… für britische Gespenster“, bemerkte der Bookstabber.
    „Das war die große Gelegenheit, auf die das Stück Lorenz in mir fünfundzwanzig Jahre lang gewartet hatte. Die Geister im Club, der Fliegende Holländer mit seinem Fluch, sie alle wiesen in die Vergangenheit, und der Lorenz in mir schaffte es, mich in diesen Strudel hineinzuzerren, ohne dass ich es merkte. Was mir als Reise um die Welt in 80 Tagen verkauft wurde, war in Wirklichkeit eine Reise durch die Zeit bis ins Jahr 1798 – übrigens die gleichen Ziffern wie 1978, das Jahr, indem ich Lorenz bannte. Die Rückreise in unsere Gegenwart legte zurück, indem ich die zweihundert Jahre Sekunde für Sekunde durchlebte.“
    „Das ist … verrückt“, meinte Sanjay. „Aber ich verstehe nicht … Warum drängte Lorenz in die Vergangenheit?“
    „Es war der einzige Weg, der ihm noch offenstand. Das Tor in eine Zukunft voller Erlösung blieb ihm von Katharina versperrt, er war gefangen in einer ewigen grausamen Gegenwart.“
    „Er wollte seine alten Schandtaten ungeschehen machen, dieser reumütige Bastard“, schaltete sich der Bookstabber ein.
    Sir Darren rümpfte die Nase. „Dieser Gedanke scheint nahezuliegen, aber er trifft nicht zu.“
    „Ach nein?“, knurrte der Bookstabber.
    „Nein. Wäre das sein Ziel gewesen, hätte er wohl kaum dieses Pseudo-Jenseits geschaffen.“
    „Pseudo-Jenseits?“, wiederholte Sanjay.
    „Diesen Namen haben Werner und ich einer Welt in einem Super-8-Film gegeben, den wir damals auf Falkengrund fanden. Ein Filmteam hatte ihn 1974 geschossen und war dabei Lorenz in die Hände gelaufen. Er tötete die vier jungen Leute, und sein Einfluss veränderte den Film. Dort entstand eine kleine Welt, in dem die jungen Leute bis zum heutigen Tag umherirren. Melanie hatte diese Welt für kurze Zeit betreten, als sie nach einem Autounfall in der Nähe von Falkengrund klinisch tot war. Lorenz scheint die Macht zu haben, so etwas zu erschaffen. Diese Welt hier ist etwas ganz Ähnliches, nicht das Jenseits schlechthin, sondern eine begrenzte Dimension, in die Seelen der Toten eingehen können.“
    Er staunte, wie flüssig ihm die Schlussfolgerungen über die Lippen kamen. Ein Steinchen fügte sich ans andere, seit er den richtigen Gedankengang begonnen hatte.
    „Und das echte Jenseits?“, fragte Sanjay.
    „Ich weiß nicht“, gestand Sir Darren. „Vielleicht liegt es hinter diesem irgendwo.“
    „Oder es existiert nicht“, sagte der Bookstabber spöttisch.
    Sanjay runzelte die Stirn. „Ich verstehe immer noch nicht alles. Warum sollte Lorenz in der Vergangenheit so etwas Irres wie ein Jenseits schaffen, wenn er die Möglichkeit hat, sein Leben noch einmal zu leben und seine schrecklichen Taten erst gar nicht zu begehen?“
    „Hast du jemals einen Roman über Zeitreise gelesen?“, fragte Sir Darren.
    „Sie meinen Science Fiction? Ich glaube, ich habe ein, zwei Filme in der Richtung gesehen …“
    „Eine Reise in die Vergangenheit, die den Auslöser dieser Reise beseitigt, würde die Reise selbst beseitigen. Zumindest kann man davon ausgehen. Lorenz fürchtete wohl, die Kausalität würde ihm einen Strich durch die Rechnung machen, falls er versuchte, sein Leben ein zweites Mal zu leben. Ich kenne diese Furcht – sie war die ganzen zwei Jahrhunderte über mein ständiger Begleiter. Da es in
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