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Falkengrund Nr. 34

Falkengrund Nr. 34

Titel: Falkengrund Nr. 34
Autoren: Martin Clauß
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Duft von Sanjays Parfum.
    „Wir müssen uns täuschen“, murmelte sie abwesend.
    „Gehen wir nach oben“, schlug Angelika vor. „Von Margarete erfahren wir mehr als von einem Toten.“ Sie ließen Werner, Isabel und die Gunkel bei Sir Darrens Körper zurück. Oben hatten Carnacki und Harald Margarete in einen Sessel gelegt, von wo aus sie mit glasigen, halb geöffneten Augen in die Welt starrte. Carnacki wirkte aufs Höchste konzentriert. Wäre er nur ein Milligramm weniger Gentleman gewesen, er hätte Margarete vermutlich an den Schultern gepackt und geschüttelt.
    „What‘s happened to him?“, fragte er sie.
    „Tot. Er ist tot.“ Margarete beherrschte die englische Sprache. Aber nicht in diesem Moment.
    „Dead?“ Er kniff die Augen zusammen. „No, he may be many things. But … dead he is not.“
    Melanie horchte auf. Wie? Nicht tot? Warum sagte er so etwas Verrücktes? War es dieser lächerliche, kindische Trotz, der aus Menschen sprach, ehe sie endlich bereit waren, sich einer schrecklichen Gewissheit zu ergeben? Er darf nicht tot sein, also ist er nicht tot. Melanie räusperte sich. „You are … cheating yourself“, hielt sie ihm vor. Sie machen sich selbst etwas vor, sollte das heißen. Es war falsches Englisch, sie spürte es, aber etwas Besseres fiel ihr nicht ein.
    „Absolutely not“, erwiderte er. „I have seen people like him before, in the case of the wobbling roof, for instance. He is in a delicate state of … suspension. He has lost his pulse, yes, but his physical aura is still there.“
    „His … physical aura …“
    „If I had my instruments with me, I could even measure it and show you. Under the present circumstances, though, you may trust me or not, just as you wish.“
    „Wenn das so ist“, meldete sich Angelika, „wenn er noch lebt, dann sollten wir ihn nach oben holen.“
    Und genau das taten sie. Als Werner von Carnackis Äußerung erfuhr, war er Feuer und Flamme, und binnen weniger Minuten hatten sie den schlaffen Körper mitten in der Halle auf mehrere Decken gebettet. Sie behandelten ihn wie einen Ohnmächtigen oder Schwerverletzten – es hatte sogar Vorschläge gegeben, ihn in die stabile Seitenlage zu bringen. Andererseits ließ es sich nicht leugnen, dass er nicht atmete. Sie traten alle aufgeregt von einem Fuß auf den anderen, und ihre Blicke hingen mehr noch an Carnacki als an Sir Darren. Mit ein paar kurzen Worten war er zu ihrem Helden aufgestiegen. Sie wären bereit gewesen, zu tun, was er von ihnen verlangte. Die Hoffnung, die er ihnen schenkte, verlieh ihm Macht.
    „Er hat nach Sanjay gerufen“, meldete sich Margarete, die unruhig in ihrem Sessel vor und zurück wippte, als wolle sie aufstehen und traue sich nicht. „Er sagte: ‚Nein, Sanjay! Du musst alleine gehen, ohne mich!‘ Etwas in der Art …“
    Angelika hatte sich neben Carnacki gestellt und flüsterte ihm die englische Übersetzung ins Ohr. Außerdem erläuterte sie ihn in wenigen Sätzen, wer Sanjay war und welches Schicksal sie erlitten hatte.
    Isabel ergriff das Wort. „Heißt das, Sanjays Geist war hier auf Falkengrund?“
    „Immerhin war heute schon einmal die Rede von einem Spuk“, erinnerte sich Werner. „Die beiden jungen Leute, die sich für …“ Er warf dem leblosen Körper einen um Entschuldigung bittenden Blick zu. „… für das Zimmer interessierten. Sie sprachen von der Erscheinung einer nackten jungen Frau, die offenbar gefoltert wurde.“
    Carnackis Augen weiteten sich, als Angelika ihm Werners Worte dolmetschte.
    „Und dieser Geist soll Sanjay sein?“ Melanie schüttelte den Kopf. „Sanjay starb durch eine Art Unfall in der Asservatenkammer in Karlsruhe. Jedenfalls wurde sie nicht gefoltert.“
    „Vielleicht wird sie es jetzt gerade“, meinte die Gunkel.
    Melanie lachte spöttisch. „Gefoltert? Im Jenseits? Also wirklich, das ist …“
    „Was wissen Sie schon über das Jenseits, Fräulein Kufleitner? Besitzen Sie irgendwelche sachlichen Informationen darüber, und seien sie noch so dünn, aus erster, zweiter, dritter Hand?“
    Isabel nickte. „Es würde auch erklären, warum Sanjay hier aufgetaucht ist. Um Hilfe zu suchen.“
    „Hilfe ausgerechnet bei Sir Darren?“
    „Vielleicht war es Zufall, dass sie gerade ihm begegnet ist. Sie ist im Keller erschienen, und da war er eben. Oder sie hat sich absichtlich an ihn gewandt. Stell dir vor, du wärst ein Gespenst. Wen würdest du um Hilfe bitten?“
    „Natürlich Sir Darren“, gab Melanie zu. „Er war
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