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Falkengrund Nr. 34

Falkengrund Nr. 34

Titel: Falkengrund Nr. 34
Autoren: Martin Clauß
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wusste, dass die Waffe in Sanjays Hand ihn nicht getroffen hatte. Gestorben war er dennoch, auf irgendeine Weise, die er noch nicht verstand. Kurz vor seinem Tod war Margarete im Keller aufgetaucht. Was hatte das eine mit dem anderen zu tun?
    Und wer war dieser Kerl, der sein Gesicht trug und diesem eine abgrundfinstere Miene entlockte? Sir Darren warf sich gegen ihn, wollte ihn zu Fall bringen, doch sein brandneuer Jenseits-Körper gehorchte ihm noch nicht so recht. Der Doppelgänger parierte seinen schwachen Angriff mit etwas, was als Judo für Arme durchgehen konnte. Er ließ Sir Darren ins Leere laufen und verpasste ihm dann noch einen Schubs. So körperlich – es war alles so überraschend körperlich hier …
    Erst als er auf dem Boden saß und sich seine Blickrichtung änderte, entdeckte er Sanjay. Sie war noch immer nackt, und die Foltergeräte hingen an ihrem Körper. Allerdings schien die Spannung der buchstabenförmigen Objekte nachgelassen zu haben. Der qualvolle Ausdruck auf ihrem Gesicht hatte von physischem zu psychischem Schmerz gewechselt.
    „Wie muss ich dich anreden, Freund?“, brachte Sir Darren hervor, im Plauderton beinahe.
    „So wie du dich selbst in Zukunft anreden darfst. Bookstabber ist mein Name.“ Der Doppelgänger grinste wie ein Hollywood-Superschurke. Überhaupt schien seine Mimik und Gestik auf unangenehme Weise eindimensional und billig. Es ekelte Sir Darren vor dieser farblosen Version seiner selbst.
    Sir Darren richtete sich auf. „Ich sehe keine Notwendigkeit, meinen Namen nach dem Tod zu ändern“, hielt er dagegen. „In buddhistisch geprägten Gesellschaften sind posthume Namen zwar Usus, aber das sollte mich nicht betreffen.“
    Der Bookstabber verzog das Gesicht. „Du bist ein Schwätzer, ein einfältiges, schales Abbild von mir. So gesehen scheint es zweifelhaft, ob du mir eine echte Bereicherung sein wirst, wenn du erst wieder Teil von mir bist. Aber was zusammengehört, muss zusammenkommen, wenn nicht auf der anderen, dann doch auf dieser Seite der Wirklichkeit.“
    „Wovon redet er?“ Sanjay hatte sich zur Seite gedreht, um ihre Blößen besser bedecken zu können. „Ich verstehe nicht, was das alles zu bedeuten hat.“
    Sir Darren ging um sein Ebenbild herum, betrachtete es, und der Bookstabber ließ es geschehen. „Ich habe eine grobe Vorstellung, wie diese Situation zustande gekommen ist“, meinte Sir Darren. „Aber um meine Theorie zu bestätigen, müssten wir in dieser Welt auf Lorenz von Adlerbrunn stoßen.“
    „Ich habe ihn getroffen!“, rief Sanjay. „Man bezeichnet ihn als Herrn dieser Welt. Er soll das alles hier geschaffen haben.“
    „Nicht ohne meine fachkundige Hilfe“, warf der Bookstabber ein.
    Sir Darren brummte. „Dann ist meine Vermutung also richtig.“
    „Erklären Sie es mir, bitte!“, bat Sanjay. „Ich möchte wenigstens begreifen, warum der Tod mich in einen Folterkeller geführt hat und nicht in einen Garten Eden oder ins nächste Leben.“
    „Nur zu!“, sagte der Bookstabber gönnerhaft. „Erkläre es ihr. Ich lasse es zu.“
    Die Großzügigkeit seines Doppelgängers ließ Sir Darren hellhörig werden. Der Bookstabber schien interessiert, seine Theorie zu hören. Vielleicht gab es ja Punkte, die er selbst noch nicht durchschaute. „Im Jahr 1978 bannte ich die Seele des Lorenz von Adlerbrunn in ein Zimmer auf Schloss Falkengrund“, begann Sir Darren. „Da seine Frau Katharina ihm den Zugang zum Jenseits verwehrte, steigerte sich sein Hass und seine Macht ins Unermessliche. Vielleicht wollten wir die Gefahr beseitigen, die von ihm ausging, vielleicht wollten Werner und ich ihn auch einfach aus dem Weg schaffen, um unsere kleine Idee umzusetzen: auf Falkengrund eine Schule des Okkulten zu eröffnen. Mit der wir unter dem Strich mehr Unheil bewirkt haben als Gutes.“ Er sah zu Sanjay hinüber und räusperte sich. „Ich hatte außer Acht gelassen, dass Lorenz die Macht hatte, anderen Menschen einen Teil von sich selbst zu übertragen, wenn auch nur, um danach sie – und symbolisch sich selbst – zu töten. Ich bezwang ihn, aber als ich den Ort verließ, muss ich eine Menge von ihm in mir getragen haben.“
    Sanjays Augen weiteten sich. „Ein Stück des Barons war die ganzen Jahre über ein Teil von Ihnen?“
    Sir Darren nickte. „Manchmal glaubte ich es zu spüren, aber ich war mir nicht sicher. Dann, letztes Jahr, als ich die Flucht vor der Rache der Geisterwelt angetreten und Falkengrund verlassen hatte, widerfuhr
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