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Falkengrund Nr. 34

Falkengrund Nr. 34

Titel: Falkengrund Nr. 34
Autoren: Martin Clauß
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der große Geister-Fuzzy. Ist. Entschuldigung.“ Auch von ihrer Seite ging ein bedauernder Blick zu dem reglosen Leib.
    „Ich würde mich an Thomas wenden“, warf Angelika ein und sah ihn voller Bewunderung an. Werner blickte starr zur Seite. Sie würde doch nicht etwa anfangen, sich in Carnacki zu vergucken! Passen würde es zu ihr. Eine nahezu hundert Jahre alte literarische Figur, die zum Leben erwachte und dann auch noch so gut aussah – das war bestimmt der Stoff, aus dem Angelikas Träume gestrickt waren.
    „Dann muss es so gewesen sein“, sagte Harald. „Sanjays Gespenst bittet Sir Darren, sie zu retten. Er weigert sich, was verständlich ist, weil er sie dazu ins Jenseits begleiten müsste, und er hat auf dieser Welt schließlich noch das eine oder andere Weinfläschchen zu leeren. Aber sie ist stärker. Sie packt seine Seele, zerrt sie mit sich, und zurück bleibt sein leerer Luxuskörper. Hoffentlich kann sie mit ihrem Teil von Sir Darren mehr anfangen als wir mit unserem …“
    „He is probably right“, verkündete Carnacki, nachdem er Angelikas Übersetzung gehört hatte. Und sein Blick sagte: Aber mögen muss ich diesen Harald nicht, oder?
    „Es gibt noch etwas, was ihr wissen solltet“, klang Margaretes Stimme auf. „Im Wald habe ich einen Kräuterzauber vorbereitet. Es geht dabei um inneren Zusammenhalt. Na ja, damit wollte ich unsere Solidarität stärken. Es ist auch Weide dabei, was eigentlich …“ Sie schluckte und holte Luft. „Was unsere Trauer lindern sollte, aber traditionell von Hexen auch für Jenseitsreisen eingesetzt wird. Den Zauber habe ich angewandt, als ich die Kellertür öffnete und Kampfgeräusche hörte.“
    „Warum das denn?“, wollte Werner wissen.
    „Ich hatte gehofft, die Situation würde sich dadurch beruhigen. Aber vermutlich habe ich Sanjay und Sir Darren damit fest aneinander gebunden. Dass es ihr überhaupt gelang, ihn hinüberzuziehen, ist wohl meine Schuld.“
    Eine halbe Minute lang war es still.
    „Und wenn schon“, sagte Werner dann. „Wenn Mr. Carnacki sagt, Sir Darren ist nicht tot, dann gibt es eine Chance, seine Seele, seinen Geist oder wie wir es auch immer nennen wollen zurückzuholen. Nur das ist jetzt wichtig.“
    „Und Sanjay?“ Melanie hatte es ausgesprochen, aber sie war gewiss nicht die Einzige, die es dachte. „Wenn wir schon dabei sind, sollten wir Sanjay nicht vergessen. Sie leidet Höllenqualen da drüben, und …“
    „Dann ist sie vielleicht in der Hölle, und Sir Darren auch“, kommentierte Isabel.
    Melanie ignorierte die Bemerkung. „Können wir sie denn nicht auch zurückholen? Unter Umständen hilft es ja, dass Margaretes Zauber die beiden … Seelen so eng verbunden hat.“
    Wieder ruhten die Blicke aller auf Carnacki.
    Dieser ließ Angelika zu Ende übersetzen, dann dachte er nach und fragte schließlich: „Where is her body?“
    Werner antwortete: „It has been transfered to India where it has been burnt according to her father’s religious belief.“
    „Burnt?“, wiederholte Carnacki, in seinen Augen ein Hauch von Grauen. „Then there is no hope for her.“

10
    Eine unbestimmte Zeitspanne lang hatte Sir Darren den Eindruck, vor einem Spiegel zu stehen. Er sah seine eigene Gestalt vor sich, undeutlich und verändert, in fremder Kleidung, aber mit seinem Gesicht. Es dauerte, bis ihm klar wurde, dass sein Spiegelbild ein eigenes Leben hatte, dass es sich unabhängig von ihm bewegte, dass seine Miene sich nicht veränderte, wenn er selbst eine Grimasse zog.
    Kein Spiegelbild. Wohl eher ein Doppelgänger.
    „Beeindruckend“, sagte das Gegenüber, das sein Gesicht trug. „Es ist mir tatsächlich gelungen. Die Qual wird als Energiequelle stark unterschätzt, wie mir scheint.“
    Sir Darren war nicht völlig weggetreten, seit er mit Sanjay in eine andere Realität gezerrt worden war. Sein Verstand mochte sich ein wenig getrübt haben wie bei einem vorübergehend Betäubten, doch er hatte den Übergang ins Jenseits in wachem Zustand mitbekommen. Und er war dabei erstaunlich gefasst geblieben, hatte seinen Geist mit Beobachtungen und Überlegungen frei von Panik gehalten. Er war Brite. Panik lag ihm nicht im Blut. Sie würde ihn nicht weiterbringen. Sein Leben lang hatte er sich mit dem Jenseits beschäftigt, damit Kontakt gepflegt, und nun hatte er es in eigener Person betreten. Es war ein großer Moment – so groß, dass es ihm fast unverständlich schien, wie sich je ein Mensch davor hatte fürchten können.
    Er
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