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Falkengrund Nr. 31

Falkengrund Nr. 31

Titel: Falkengrund Nr. 31
Autoren: Martin Clauß
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Schlossportal, Spannungsmessgeräte an den Gebäudeflanken, Förster-Sonden und Kompasse zur Messung von Magnetfeldern rund um das Haus, ein Geiger-Müller-Zähler zur Feststellung von Radioaktivität hinter dem Haus, dazu diverse Hygrometer, Barometer und Luxmeter an zufälligen Positionen. Die Sammlung wurde abgerundet durch einen Oszillografen und einen hochwertigen Kassettenrekorder mit sensiblem Mikrofon. Auf zweifelhafte, subjektive Messgeräte wie Wünschelruten und Pendel verzichtete Ronald. Spukerscheinungen ließen sich mit exakten wissenschaftlichen Methoden detektieren – sie brauchten solchen Firlefanz nicht.
    Zum Aufbauen der Apparate trug Ronald sein Kassettengerät mit sich herum. Udo Jürgens besang „Das ehrenwerte Haus“, und Bernd Clüver schwärmte vom „Tor zum Garten der Träume“. Das Problem waren die Kabelstränge. Die zwei Dutzend Geräte mussten mit einer komplexen Apparatur verbunden werden, die fast die Hälfte des Wohnwageninnenraums ausmachte.
    Drei Stunden, fünfzig Schlager und zwei Riesenrohre Smarties später war der Garten von Schloss Falkengrund von bunten Kabeln durchzogen, ein benzinbetriebenes Stromaggregat war neben dem Wohnwagen aufgestellt und in Betrieb gesetzt worden. Es begann zu dämmern. Für das Gebäude selbst hatte Ronald noch keine Zeit gehabt, und er würde es nicht betreten, ehe nicht umfassende Messergebnisse vorlagen.
    Als er alle Geräte im Garten und im Wohnwagen aktiviert hatte, fiel ihm auf, dass Anuschka fehlte. Er rief sie, ging um das Haus herum, lief die Innenseiten der Mauern ab und pfiff durch die Finger. Ronald kramte eine Salami aus der Vorratsbox, schnitt einige Scheiben ab und legte sie in Vertiefungen des Reliefs auf der Rückwand. Einem Drachen legte er eine Scheibe auf die Zunge, einem Werwolf wickelte er eine um die Kralle, usw.
    Noch machte er sich keine Sorgen. Anuschka war ein Weibchen, und Weibchen, naja, waren Frauen.
    Er bereitete sich eine Thermoskanne voll Filterkaffee, setzte sich in den Campingstuhl und trank sie zur Hälfte leer. Dann erhob er sich, um zu sehen, was die Messgeräte machten. Die meisten davon schliefen, doch die Förster-Sonden zeigten ungewöhnliche Magnetfelder. Ein üblicher Wert für das natürliche Magnetfeld an der Erdoberfläche beträgt 40-50 Mikro-Tesla. Ronalds Sonden schlugen bis zum Hundertfachen aus. Das entsprach zwar nur einem Zwanzigstel der Flussdichte eines handelsüblichen Hufeisenmagneten oder eines Magnetarmbands – trotzdem war es ein außergewöhnlicher Wert. Das Barometer verzeichnete starke Schwankungen im Luftdruck. Der Wert sank innerhalb weniger Minuten um ein Viertel Hekto-Pascal, was meteorologisch gesehen ein todsicherer Hinweis für einen aufkommenden Sturm darstellte, doch von Sturm war keine Spur.
    Ronald machte sich ein Wurstbrot mit vier Scheiben Bierwurst und einem ordentlichen Klecks Senf. Nachdem er es vor dem Wohnwagen in der Dämmerung verspeist und noch einmal nach Anuschka gerufen hatte, wechselte er zur Vorderseite des Hauses und ging bis zur Tür.
    Das Portal war geschlossen, aber nicht verriegelt. Die Klinke klemmte ein wenig, doch mit etwas Nachdruck schnappte sie hinunter. Ronald stieß die Tür auf, zunächst, ohne einen Schritt ins Innere zu machen. Die große Eingangshalle, die man ihm beschrieben hatte, lag bereits im Halbdunkel. Sie wirkte sehr, sehr leer. „Grüß Gott, Herr Baron“, sagte er in normaler Lautstärke. „Mein Name ist Dr. Ronald Schlichter. Ich komme als Freund.“
    Falls es überhaupt eine Reaktion gab, dann ein leichtes Nachdunklen der Atmosphäre am oberen Ende der linken von zwei Treppen. Wahrscheinlich nur eine Täuschung. Ronald hob den Kompass auf, den er auf der Schwelle platziert hatte. Die Nadel zitterte stark, viel zu stark, um das Phänomen auf natürliche Ursachen zurückzuführen.
    Es gab eine Präsenz auf Schloss Falkengrund, und sie war nicht der Schwächsten eine.
    Ronald hatte ein kleines, häufig gebrauchtes Stück Kreide in der Tasche stecken. Langsam setzte er einen Fuß über die Schwelle, dann den anderen. Er wusste, dass er ein Risiko einging, als er die Tür zur Hälfte schloss und auf die Innenseite mit Kreide seinen Namen schrieb. Zwanzig Sekunden lang stand er in der Halle und wandte den beiden Treppen dabei den Rücken zu. Er spürte, wie etwas Kaltes seine Schulter berührte. Die letzten Buchstaben führte er eilig zu Ende, wandte sich um und verließ das Haus rückwärts.
    „Baron von Adlerbrunn?“, fragte
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