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Falkengrund Nr. 30

Falkengrund Nr. 30

Titel: Falkengrund Nr. 30
Autoren: Martin Clauß
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Diesmal waren es nur wenige Buchstaben.
    angst
    Zusammen mit den Wörtern am Ende der ersten Zeile hieß das: „Ich habe Angst.“
    Nach einer kurzen Pause rückte der Wagen mit lautem Schnappen zu einem Punkt weiter rechts und schrieb dort:
    denkst du mich ja nein
    Edeltraud wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich selbstständig gemacht hatte. Jetzt fing es an, verrückt zu werden. Denkst du mich – was sollte das bedeuten? Sie schüttelte den Kopf. Natürlich bedeutete es nichts als dass der große Konrad Winkheim einen Fehler gemacht und ein Wort unterschlagen hatte.
    Aber es war eine Frage, zwar ohne Fragezeichen (dazu hätte das Gerät die Hochstelltaste benutzen müssen), aber immerhin. Und auf einmal erschien ihr die Geschichte hochinteressant. Wenn Winkheim einen Köder ausgelegt hatte (nein, zwei Köder, die Botschaft in ihrem Buch und diese Schreibmaschine hier), dann hatte das muntere Fischlein Edeltraud Zeiss doppelt angebissen.
    „Nett von dir, dass du dir ausgerechnet mich als Testperson ausgesucht hast, Konrad“, wisperte sie. „Obwohl ich damals so sang- und klanglos verschwunden bin. Wenn du schon diesen Aufwand betreibst, dann will ich kein Spielverderber sein. Aber einen Stuhl hättest du mir schon hinstellen können …“
    Sie beugte sich zu der Maschine hinunter, betätigte erneut den Wagenrücklauf und schrieb dann:
    Wer bist du, geheimnisvoller Spuk?
    Nichts geschah, und sie war riesig enttäuscht, doch dann fiel ihr ein, dass sie den Wagen nicht zurückgeschoben hatte, und sie holte es nach.
    Sofort begann der Apparat wieder zu schreiben.
    samuel ich bin kein spuk denkst du mich ja nein
    Edeltrauds Augen glänzten. Das machte richtig Spaß!
    Du bist nicht Samuel. Dein Name ist Konrad. Ich bin Edeltraud. Aber das weißt du ja.
    Sie schob den Wagen zurück und wartete auf eine Antwort. Diesmal dauerte es zehn, fünfzehn Sekunden, ehe die Tasten sich wieder bewegten. Der Wagen rückte zuerst weit nach rechts, dann schrieb der Mechanismus:
    denkst du mich ja nein
    Sie stöhnte. Na, diese Nummer war ja noch nicht ganz bühnenreif. Konrad musste sich deutlich bessere Dialoge einfallen lassen, ehe er damit vor ein zahlendes Publikum treten konnte.
    Mehr noch: Es war befremdend, beinahe schon unheimlich, wie er in dieser Frage immer das Wort „an“ vergaß …
    Ja , tippte sie, damit er seinen Willen hatte. Ja, ich denke an dich.
    Sie fuhr den Wagen zurück und wartete.
    Nichts geschah.
    „Ach, und das war jetzt alles?“, fragte sie, diesmal schon etwas lauter, in die Stille hinein. Wenn das mal nicht typisch Mann war! Vermutlich hatte der Kerl monatelange Arbeit in den Mechanismus gesteckt, und dann wusste er nicht, was er der Frau sagen sollte, die er damit eingefangen hatte.
    Sie richtete sich auf, stark ernüchtert, und wollte schon weitergehen, sehen, was für sinnlose kleine Absonderlichkeiten er sonst noch für sie vorbereitet hatte, da kam ihr ein Gedanke. Sie wandte sich noch einmal um und tippte in die Maschine:
    Denkst du (an) mich? Ja? Nein?
    Kaum hatte sie den Wagen an den Anfang gefahren und in eine neue Zeile geschaltet, da raste die Tastatur los.
    ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja ja
    Binnen weniger Sekunden war die Zeile vollgeschrieben. Und diesmal endete der Schreibfluss nicht am Schluss der Zeile. Mit einem gewaltigen Krachen fuhr der Wagen an den Anfang zurück. Auch die nächste Zeile füllte sich im Handumdrehen mit dem Wort „ja“. Edeltraud konnte nur wie gelähmt auf den Apparat starren. Innerhalb einer Minute war das Blatt bis zum unteren Rand gefüllt, wurde oben ausgeworfen, rutschte von der Apparatur und schwebte zu Boden. Die Maschine hörte nicht auf zu tippen. Statt auf das Papier schrieben die Hämmerchen die immer gleiche Botschaft nun direkt auf die Walze. Dabei wuchs der Lärm weiter an, und Edeltraud duckte sich, als einer der Hämmer herausflog. Es war das j. Der Apparat tippte nun nur noch kleine a’s auf die Walze, immer schneller, immer lauter. Die Schläge fielen so heftig aus, dass der Hammer Löcher in die Walze schlug. Das Farbband zerriss.
    Gespenster würden weiterschreiben, und wenn es den Apparat zerlegte. Edeltrauds Gedanke war noch keine fünf Minuten alt.
    Sie stieß mit dem Fuß gegen das Tischchen, dass es umkippte. Die Maschine fiel herab und schlug mit lautem Scheppern auf. Dann verstummte sie.

3
    Eine Reihe von Käfern kroch durch eine durchscheinende Hand. Die
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