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Falkengrund Nr. 30

Falkengrund Nr. 30

Titel: Falkengrund Nr. 30
Autoren: Martin Clauß
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Finger in dem weichen Körper etwas Festes. Wie von selbst schloss sich seine Hand darum, und als das Wesen vernichtet war, hielt er ein kleines dünnes Blättchen in der Hand. Seine bebenden Finger wischten es sauber. Er sah sofort, was es war.
    Ein Einzelbild aus einem Film.
    Die Frau war inzwischen mit einer Flasche Rohrreiniger zurückgekehrt. Zweifellos hatte sie vor, den Inhalt über dem schwarzen Klumpen auszuschütten. „Nur zu“, krächzte Sir Darren, während er sich zur Seite rollte. Er war froh, das Bild gerettet zu haben. Das scharfe Reinigungsmittel hätte bestimmt nicht viel davon übriggelassen.
    Er kroch zum Bett, lehnte sich dagegen und beobachtete, wie die ausgeschüttete Chemikalie die schlammigen Fetzen auflöste. Er musste husten. Die Frau half ihm hoch und führte ihn aus dem Zimmer.
    Sie brachte ihn in den Speiseraum, stellte ihm einen Tee und ein paar Kekse hin.
    „Sie müssen mir das alles erklären“, meinte sie. „Aber zuerst mache ich das Zimmer sauber.“ Sie war eine Frau, die wusste, was sich gehörte.
    Sir Darren nickte mechanisch. Was er ihr erzählen würde, würde man sehen. Der Traum steckte ihm noch in den Knochen, und er ahnte, dass er ihn nie ganz loswerden würde. Er war mit der schlimmsten Angst konfrontiert worden, die er in sich trug. Etwas, was er bislang sogar vor sich selbst erfolgreich verborgen hatte, war ans Tageslicht gekommen. Hätte ihn beinahe vernichtet.
    Es gab nur ein Wesen, das zu so etwas fähig war.
    Ein Wesen, das er tot geglaubt hatte.

12
    Epilogue – The Demon’s Revenge
    Der Dämon, der ihn während seiner Zeitreise verfolgt hatte, war ein Geschöpf, das mit der Angst des Gegners spielte, sie manipulierte und als Waffe einsetzte. Vielleicht lebte es von der Angst – das wusste er nicht. Als er es mitten im Ozean mit dem zu Blei gewordenen Albatros zerstückelte, der in dem formlosen Körper festgesteckt hatte, war er davon ausgegangen, es endgültig vernichtet zu haben.
    Doch wie es aussah, hatte ein winziger Teil davon überlebt, hatte vielleicht 130 Jahre lang im Meer getrieben. Und nun hatte dieser Teil Rache geübt an dem Mann, der ihn beinahe getötet hatte. Wie genau das alles vor sich gegangen war, das entzog sich seiner Kenntnis. Aber den ungefähren Hergang konnte er sich zusammenreimen.
    Das Wesen hatte einen Wirt gefunden, der es trug. Ein Mann namens Blake Owens. Diesen hatte es geführt und dazu gebracht, Sir Darren zu umarmen – die peinliche Szene im Restaurant schien in weiter Vergangenheit zu liegen, nach all den schrecklichen Erlebnissen in der Pasewalk Clinic, obwohl sie sich vor kaum mehr als zwölf Stunden zugetragen hatte. Bei dem Körperkontakt der beiden Männer musste das faustgroße Geschöpf unbemerkt auf Sir Darren übergewechselt haben. Er erinnerte sich an leichte Rückenschmerzen, doch der Klumpen saß an einer Stelle, die mit den Händen schwer zu erreichen war. Der Dozent hatte am Abend nicht mehr geduscht – das tat er morgens. Erschöpft hatte er sich umgezogen und war ins Bett gefallen. Ja, er war unnatürlich müde gewesen.
    Im Schlaf übernahm das Wesen immer mehr die Kontrolle über ihn, so wie es zuvor Blake Owens kontrolliert hatte, über sein Rückenmark vielleicht, oder über einen telepathischen Einfluss. Aus dem Gewirr aus Angst, Schuld und Scham, die in Sir Darrens Innerem verborgen war, kreierte es einen wilden Albtraum.
    Ein Traum war es tatsächlich gewesen, und er hatte das Hotel an diesem Morgen nie verlassen. Aber kein gewöhnlicher. Daher war es ihm nicht gelungen, mit Willenskraft daraus zu erwachen. Wann er erwachte, bestimmte das Wesen, und es stand fest, dass es ihn nicht aus dem Labyrinth des Grauens entlassen hätte, ehe sein Verstand daran ernsten Schaden genommen hätte. Vielleicht wäre sogar sein Herz stehen geblieben.
    Sir Darren hatte in seine persönliche Hölle geblickt. Hatte die Rechnung bekommen für zweihundert zusätzliche Lebensjahre, in denen er, aus Angst, die Zukunft zu verändern, nicht in den Lauf der Geschichte eingegriffen hatte. Persönlichkeiten, die er verachtete oder fürchtete, waren ihm in der alten Klinik begegnet wie in einer privaten Geisterbahn und hatten gemeinsam an seiner Vernichtung gearbeitet.
    Doch er hatte den Reigen des Wahnsinns gebrochen. Hatte die Absicht durchschaut, auch wenn er zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst hatte, wer dahinter steckte. Hatte sich entspannt, sich von dem Mummenschanz abgeschottet.
    Zweifellos hatte das Wesen auf
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