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Falkengrund Nr. 29

Falkengrund Nr. 29

Titel: Falkengrund Nr. 29
Autoren: Martin Clauß
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ein Gespräch mit ihm zu führen, sinnlos war.
    „Gernot Schranz“, sagte Fachinger. „Sie kennen diesen Namen, nicht wahr?“
    Nichts im Verhalten des Kranken verriet eine Reaktion. Fachinger war trotzdem überzeugt davon, dass die Wahrheit irgendwo im Inneren des Mannes verborgen lag. Die Krankheit war vor sechs Jahren ausgebrochen. Rund ein Jahr später hatte Schranz – rein hypothetisch – einen Mord begangen. Er hatte aber nicht Kreisler getötet, sondern einen anderen, einen Unbekannten. Hatte Kreisler damals ermittelt? Nein, da war er ja schon krank gewesen, wenn die Zeitangaben stimmten.
    Nun war in Schranz’ Wohnung offenbar wieder ein Mord geschehen, diesmal allerdings während dessen Abwesenheit. Es gab keinen Mörder, kein Opfer, nur eine Menge Blut und …
    Fachinger reichte Kreisler den Schraubenzieher, wie er es im Traum getan hatte. Doch während er im Traum danach gegriffen hatte, zog er nun die Hand zurück und riss die Augen auf. Aus seiner Kehle kam ein erbärmliches Wimmern, ein Speichelfaden lief aus seinem Mund. Fasziniert, überhaupt eine Reaktion erhalten zu haben, betrachtete Fachinger den Mann minutenlang. Allmählich beruhigte der Patient sich wieder und fiel in seine Lethargie zurück. Die Umsitzenden, die die beiden aufmerksam beobachtet hatten, wandten sich wieder ihren Beschäftigungen zu, auch wenn sie mitunter nur darin bestanden, Löcher in die Luft zu starren.
    Der Beamte aus Freudenstadt hatte das Gefühl, einen winzigen Schritt vor der Lösung des Rätsels zu stehen. Er ließ Kreisler zurück und verbrachte den Nachmittag mit Spaziergängen durch Mannheim. Dabei dachte er nach, stellte jedoch fest, dass seine Kombinationsgabe nicht mehr auf der Höhe war. Er fühlte sich ausgebrannt. Die Fähigkeit, Dinge zu durchschauen und Puzzlestücke zusammenzusetzen, die auf den ersten Blick gar nicht zusammenzugehören schienen, hatte nachgelassen.
    Er musste etwas tun, um den letzten Schritt gehen zu können.
    Sich dopen, in Form bringen.
    Und da gab es nur eine Möglichkeit.

12
    „Ein Kollege meines Mannes?“
    Die Frau war jung und hübsch, und buchstäblich an ihrem Rockzipfel hing ein kleines Mädchen, das ihr wie aus dem Gesicht geschnitten war. Fachinger war in den letzten zwei Tagen vor einer Menge Türen gestanden und kam sich allmählich vor wie ein Hausierer. Neben dieser Tür stand der Name Denzel. Diesmal gehörte sie zu einem sauberen Einfamilienhäuschen mit Garten.
    „Hat Ihr Mann nicht gesagt, dass er mich erwartet?“ Er gab sich zurückhaltend, trat sogar einen Schritt zurück, als wäre er Gentleman genug, um notfalls wieder zu gehen. Daran dachte er im Traum nicht.
    „Er ist … eben erst nach Hause gekommen. Er ist noch unter der Dusche. Aber wenn Sie schon mal reinkommen möchten …“
    „Nur, wenn es keine Umstände macht.“
    Sekunden später saß er in einem komfortablen Nappasessel in einem luxuriösen, nach Möbelpolitur riechenden Wohnzimmer und wartete Däumchen drehend, bis Hauptkommissar Denzel aus dem Bad kam. Es war mollig warm. Das kleine Mädchen betrachtete den bärtigen, rotnasigen Hünen mit sichtlichem Interesse, bis die Mutter es aus dem Zimmer zerrte.
    Als Denzel hereinkam, barfuß, in legere Klamotten gekleidet, sich noch mit einem Handtuch die Haare rubbelnd, fielen ihm fast die Augen aus den Höhlen. „Wie kommen Sie herein?“
    „Ihre bezaubernde Gattin hat mich hereingebeten“, sagte Fachinger mit einem genüsslichen Grinsen, als hätte man ihm edlen Wein kredenzt. Dabei stand nur ein Glas Wasser vor ihm, das er noch nicht einmal angerührt hatte.
    Denzel schnappte nach Luft, schleuderte das Handtuch von sich. „Ich muss Sie bitten, auf der Stelle mein Haus zu verlassen, oder …“
    „Beruhigen Sie sich! Es tut mir leid, wenn ich heute Vormittag etwas ruppig war. Ich muss diesen Fall einfach lösen, verstehen Sie? Das treibt mich um. Und ich werde den Verdacht nicht los, dass Sie mir dabei helfen können.“ Mit einer Geste lud Fachinger den Mannheimer Kollegen ein, es sich auf der Couch gegenüber bequem zu machen.
    Denzel blieb hinter der Couch stehen, stützte sich auf der Lehne ab und blitzte ihn aufgebracht an. „Ich weiß nicht einmal genau, was für ein Fall das sein soll.“
    „Ich auch nicht. Aber das werden wir gemeinsam herausfinden.“ Er legte den Schraubenzieher auf den Tisch. „Fassen Sie das an!“
    „Ich sagte schon einmal, dass ich mich weigere …“
    „Kommen Sie schon! Wenn Sie tun, was ich sage,
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