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Faktor, Jan

Faktor, Jan

Titel: Faktor, Jan
Autoren: Georgs Sorggen um die Vergangenheit
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Onkels Dorf Zeuge, wie Onkel
ONKEL und einige andere Männer den Bau eines Schwimmbads FÜR UNS KINDER in
Angriff nahmen. Der Bürgermeister war dabei, einige Einheimische, aber auch
andere wochenendaktive Dörfler aus Prag. Ein Stück oberhalb von Onkels Haus war
eine abschüssige Wiese, die von einem kleinen Bach in zwei Hälften zerteilt
war. Wem die Wiese früher gehört hatte, war nicht ganz klar, im Sozialismus
spielte es aber keine besondere Rolle mehr. Der Bürgermeister, damals
»Vorsitzender des Nationalausschusses« genannt, genehmigte das Vorhaben, die
Leitung der Landwirtschaftlichen Einheits-Genossenschaft hatte auch nichts
dagegen und wollte für die späteren Erdarbeiten sogar eine Planierraupe zur
Verfügung stellen, eventuell sogar einen Schaufelbagger von einer nahe
gelegenen Baustelle vorbeischicken.
    Auf meinen
Onkel konnte ich in seinem Dorf stolz sein. Er wurde dort von allen Seiten und
so laut wie möglich »Herr Ingenieur« genannt und sehr respektvoll behandelt.
Die Überzeugung der Dörfler, er sei ein in einem technischen Fach ausgebildeter
Ingenieur, war offenbar schon älteren Datums, und niemand schien einen Grund zu
haben, an Onkels bautechnischer Kompetenz zu zweifeln. Mein lieber Onkel war
wie verwandelt, er war der Chef - war plötzlich ein ganz anderer Mensch als der
hinter Schränken eingemauerte Pfeifenraucher aus der Prager Wohnung.
    Links und
rechts des schmalen Bächleins, das bei starken Regenfällen ungeahnte
Wassermassen führen konnte, wurde als erstes gebuddelt und geschaufelt, bis an
diesen zwei Stellen zwei tiefe eckige Löcher klafften. Auf diese setzte man im
Laufe des Vormittags Teile von Schalungen aus Kantholz und Brettern und nagelte
sie provisorisch zusammen. Andere Männer schmissen ein Stück weiter schon Kies
durch ein großes Sieb und ließen zwei große Betonmischer brummen. Man war
dabei, das sogenannte Zapfenhaus, den »Mönch«, zu bauen. Die umstehenden
Kinder, wie ich auch, wurden nicht ignoriert, sondern ab und zu bautechnisch
aufgeklärt - besonders dann, wenn es zu Stockungen im Arbeitsablauf kam. Auch
mein Onkel wandte sich uns mit einem Lächeln zu, wenn er das Gefühl bekam, wir
verstünden irgendwelche aktuellen Schwierigkeiten nicht.
    - Diese
Pfeiler werden hier innen, genau gegenüber, einen graden breiten Schlitz haben,
aus Stahlprofil. Wenn man dann später starke Holzbohlen reinschiebt, wird das
Wasser nicht weiterfließen können und sich ruck, zuck stauen. Kapiert? Im
Moment warten wir auf ein stärkeres Schweißgerät - die Schienen, also diese
U-Profile, müssen an der Armierung gut verankert werden.
    Die Männer
hatten zwei Kasten Bier dabei und waren ausnahmslos fröhlich. Ein
Propagandafilm hätte unseren Sozialismus nicht wirkungsvoller anpreisen können.
In die vorbereitete Schalung wurde irgendwann eine Art primitive Armierung
geschoben, an diese dann die U-Profile erst mit biegsamem Draht befestigt, dann
gründlich verschweißt. Zum Schluß verschwand das rostige Gesamtkunstwerk hinter
der Schalung aus Holz vollständig - das heißt bis auf die beiden einander
zugewandten U-Profile. Anschließend konnte endlich - meine Ungeduld war groß -
der längst fertige Beton geschüttet, gekippt, gerüttelt und gestaucht werden.
Wir Kinder warteten danach, was noch alles passieren würde, es passierte aber
nichts mehr. Und niemand kam in dieser Phase des Geschehens auf die Idee, uns
zu belehren und das vorläufige Ende der Veranstaltung zu verkünden. Die Männer
waren nicht mehr ganz bei sich. Ein Bierkasten war inzwischen schon leer, und
wir langweilten uns. Eigentlich hätten wir längst woanders spielen können. Alle
Erwachsenen saßen weiter herum, unterhielten sich, keiner der Männer spürte offenbar
besondere Lust, nach Hause zu gehen. Man ließ uns wenigstens nebenbei - es war
eine absolute Ausnahme - an den nicht ganz leeren Bierflaschen nuckeln. Das
anfangs erwähnte Raupenfahrzeug kam nicht, und es wurden natürlich auch keine
Erdmassen bewegt. In meinen Vorstellungen wuchs diese Talsperre trotzdem längst
ins Gigantische.
    - Geht es
morgen weiter? traute ich mich irgendwann zu fragen.
    - Nein,
Junge. Der Beton muß erst einmal aushärten.
    - Und wie
lange dauert es?
    - Wir
machen nächste Woche weiter, vielleicht aber erst in zwei Wochen. Ihr braucht
noch etwas Geduld. In der Woche müssen die Pfeiler sowieso noch gründlich
bewässert werden, das ist ungeheuer wichtig! Beton darf nicht zu schnell
trocknen, er würde sonst
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