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Fächerkalt

Fächerkalt

Titel: Fächerkalt
Autoren: Bernd Leix
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geöffnetes Camel-Päckchen hin. »Nehmen Sie ruhig,
Ihre sind ja noch im Präsidium.«
    Sternberg
gab Feuer. »Was ist das da drüben eigentlich? Werkstatt oder Stall?«
    »Wieso?«
Die Antwort klang gequält. »Das sehen Sie doch an den ganzen …« Er stockte. »Oder
ist da drin etwa auch nichts?«
    »Kommen
Sie!« Sternberg fasste die vom rechten Handgelenk herunterhängende Handschelle und
zog von Villing hinter sich her durch die offene Tür.
    »Was soll
hier stehen? Maschinen, Werkzeug, Hobelbänke? Vielleicht eine kleine Schreinerei
zum Aufpeppen der Antiquitäten? Also außer ein paar Kraftstrom-Steckdosen seh’ ich
nichts, gar nichts.«
    »Aber wo
…?« Ungläubiges Staunen.
    »Etwas Sägemehl
und ein paar Hobelspäne haben unsere Techniker gefunden.«
    »Und im
Haus?«
    »Alles leer
– besenrein.«
    Oskar Lindt
war den beiden mittlerweile gefolgt. »Raus mit der Sprache! Was wissen Sie? Was
ist hier passiert?«
    Von Villing
öffnete den Mund, doch es kam kein Ton heraus, und dann zog er es vor, zu schweigen.
    Die lange,
schmale, schmuddelige Gestalt stand in der Mitte des Raumes, der bis vor Kurzem
wahrscheinlich noch eine Holzwerkstatt gewesen war. Stand, schaute geradeaus und
schwieg.
    Auch die
Kripobeamten sagten nichts. Der massige Kommissar lehnte an der Wand, zog an seiner
Pfeife und musterte Konstantin von Villing. Jan Sternberg stand am Ofen, zog an
einer Zigarette und tat dasselbe. Die Kriminaltechniker und die Streifenbeamten
hatten das nötige Gespür für Lindts Ermittlungsmethoden bewiesen und den Raum verlassen.
    Endlos lange
Minuten geschah nichts. Von Villing bewegte sich nicht einmal, als die Camel zwischen
seinen Fingern bis zum Filter abgebrannt war. Er ließ sie fallen, trat jedoch nicht
darauf.
    Die Wolken
aus der Pfeife des Kommissars sammelten sich unter der Decke und waberten nebelhaft
um die Neonröhren.
    Langsam
war die Kälte wieder zu spüren. Langsam, unerbittlich. Vom Boden und von den Wänden.
Die Steine schienen sie abzustrahlen, eine gnadenlose, unbarmherzige Kälte, eine
Kälte, die alles durchdrang. Schuhe, Strümpfe, Jacken, Hemden.
    Lindt war
der Erste, der unruhig wurde und sich die Arme um den Leib schlang. Schließlich
begann auch Sternberg, von einem Bein aufs andere zu treten. Nur Konstantin von
Villing blieb völlig unbeweglich. Er musste die Kälte ebenso spüren, stand jedoch
wie festgenagelt.

4
     
    Der Klingelton aus seiner Jackentasche
erlöste den Kommissar. Er warf einen Blick aufs Display, drückte auf ›Abweisen‹.
Dann machte er eine Kopfbewegung zu Jan Sternberg. »Bring ihn ins Auto.«
    Froh über
die Möglichkeit, sich zu bewegen, ging Lindt mit schnellem Schritt zum Hoftor, wo
sein Kollege immer noch Wache stand.
    »Gut, dass
du mich angerufen hast, Paul. Bin kurz vor dem Erfrieren. Die Konfrontation war
ein glatter Reinfall.«
    »Hat nichts
gebracht?«
    »Die leeren
Räume haben ihn irgendwie geschockt. Er ist vollkommen apathisch und stumm. Steht
wie festgepappt und sagt gar nichts mehr.«
    »Zeit, Oskar.
Wir brauchen Zeit. Keine Reaktion ist auch eine Reaktion.«
    »Du hast
gut reden, Paul. Hoffen wir mal, dass du recht hast. Aber bei dir hier draußen ist
es wenigstens nicht ganz so eisig wie dort drin. Ich sag dir, wenn wir diesen Fall
aufklären wollen, müssen wir uns warm anziehen.«
    »Winterstiefel
im Oktober? Übertreib mal nicht.«
    »Kannst
gerne reingehen, aber sag mir lieber, warum du mich angerufen hast.«
    »Wegen der
da drüben.« Paul Wellmann zeigte zum Haus auf der anderen Straßenseite. »Bisher
haben sich ja alle Nachbarn zurückgehalten, so wie das ältere Ehepaar vorhin. Niemand
ist nähergekommen, um zu gaffen, alle halten Abstand.«
    Weiter vorn
in der Straße standen einige Leute beieinander und schienen sich über das Polizeiaufgebot
zu unterhalten.
    »Und dort
drüben?«
    »Da wohnt
eine alte Frau. Bestimmt weit über 80 und kann kaum mehr laufen.«
    »Die kam
rüber?«
    »Du wirst
es nicht glauben. Kam mit ihrem Rollator angewackelt, schnurstracks auf mich zu.«
    »Und dann?«
    »›Was wollen
Sie da drin?‹, hat sie mich gefragt und natürlich das Haus damit gemeint. ›Bleiben
Sie lieber draußen‹, hat sie gesagt. ›Es liegt kein Segen drauf.‹«
    »Was, kein
Segen?«
    »Da hat
man schon mal zwei raus’tragen. In der Kist’.«
    »Oha. Hört
sich nicht gut an.«
    Paul Wellmann
nickte. »Ich hab bereits angerufen im Präsidium. Vielleicht können die was rausfinden.
Das braucht allerdings noch
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