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Fächerkalt

Fächerkalt

Titel: Fächerkalt
Autoren: Bernd Leix
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Karte. ›Irene Stoll – Antiquitäten‹,
darunter zwei Adressen. Eine lag im Karlsruher Stadtteil Knielingen, die andere
irgendwo im Schwarzwald.
    »Aha.«
    »Nix aha,
Sie glauben mir wohl nicht. Bitte, nehmen Sie mich endlich fest.«
    »Daran soll’s
nicht fehlen«, sagte Paul Wellmann und zog die Handschellen aus dem Gürteletui.
»Wir wissen allerdings immer gerne, wen wir da eigentlich einsperren.«
    Wortlos
griff der Dunkle ein zweites Mal in seine abgeschabte Jacke. »Mein Ausweis«, sagte
er und reichte ihn Oskar Lindt. »Der Name müsste Ihnen bekannt sein.«
    »Konstantin
von Villing, den Vornamen kenne ich nicht, den Nachnamen dafür umso besser. Ist
Eduard Ihr …?«
    »Mein Vater,
besser gesagt, er war mein Vater.«
    »Wieso?«
    »Nein, nicht
was Sie denken. Der Alte lebt und erfreut sich bester Gesundheit. Jeden Tag eine
Flasche Roten und fünf dicke Havannas, den bringt so schnell nichts um.«
    »Geht er
noch auf die Jagd?«
    »Er tut
nichts anderes. Eduard von Villing lebt quasi in seinem Wald. Schießt auf alles,
was seinen Kopf aus dem Busch streckt, und freut sich dann tierisch, wenn er wieder
so ein armes Vieh umgebracht hat.«
    »Damals
hat er ja mit der .357 Magnum geschossen«, verschränkte Lindt die Arme und lehnte
sich zurück.
    Der Dunkelhaarige
grinste. »Etwas zu plump, Ihr Versuch, Herr Kommissar. Sie konnten ihm vor zehn
Jahren nichts nachweisen und so gern ich wüsste, welches Schwein meine Mutter auf
dem Gewissen hat, ich kann Ihnen leider nicht weiterhelfen. Obwohl ich meinen Vater
zu gern leiden lassen würde. Grund genug hätte ich. Wie gesagt, für mich ist er
tot, so tot wie meine Mutter. Aber das ist eine Sache zwischen ihm und mir – nur
zwischen uns beiden!«
    »Dann befassen
wir uns am besten mal mit Ihnen.« Der Kommissar schielte wieder auf den Personalausweis
seines Gegenübers. »Herr Konstantin von Villing. Ich kann mich gar nicht erinnern,
Sie damals kennengelernt zu haben.«
    »Zu der
Zeit lebte ich in Amerika.« Seine Augen begannen zu leuchten. »Montana, waren Sie
jemals da? Endlose sanfte Hügel, Weideland, alles unser Land – nein, mein Land,
er hatte auf mich gebaut und es mir überschrieben, als ich 21 wurde. Alles voller
Rinder, dahinter die Gipfel der Rockys. Traumhaft, davon haben wir im engen Deutschland
ja gar keine Vorstellung. Tagelang waren wir mit den Pferden unterwegs. Zelt, Lagerfeuer,
Cowboy-Romantik pur.« Dann verschwand der Glanz in seinen Augen und er schaute auf
den Boden. »Nur die Stiefel sind mir geblieben.«
    »Sie sollten
ein Buch drüber schreiben«, meinte Paul Wellmann trocken. »Vielleicht wird das Melodram
sogar verfilmt.«
    »Bald werde
ich genügend Zeit dafür haben«, antwortete der Besucher und blickte ihn traurig
an.
    »Darf ich
raten?«, fragte Lindt. »Sie haben die Ranch im jugendlichen Übermut an die Wand
gefahren?«
    »Ja und
nein. An sich lief alles bestens. Wir waren berühmt für unser Fleisch. Feinste Marmorierung.«
    Der Kommissar
leckte genießerisch über seine Lippen.
    Von Villing
grinste unverschämt und fixierte dabei Lindts ansehnlichen Wohlstandsbauch. »Aha,
ein Kenner, hätt’ ich mir ja denken können.«
    Des Kommissars
Gesicht verfärbte sich wieder, seine Augen verengten sich zu Schlitzen und er knurrte:
»Los, weiter! Was geschah mit der Ranch?«
    »Unsere
Viecher waren begehrt. Steaks werden schließlich immer gegessen. Nein, mein Abstieg
begann mit dem Aufstieg. Ich wollte zeigen, dass ich mehr kann, mehr als nur ein
Kuhhirte zu sein. Wozu hatte ich schließlich den Master of Economics in der Tasche.«
    »Harvard?«
    »Klar, wo
lassen die reichen deutschen Väter ihre Söhne denn sonst studieren?«
    »Und als
amerikanischer Elite-Absolvent wollten Sie den Traum mit einem traumhaften Vermögen
vollkommen machen.«
    »Ist wohl
nicht schwer zu erraten. Wall Street, New Economy, die Kurse explodierten, ich schwamm
ganz oben auf der Welle, belieh die Ranch, um mein Kapital zu erhöhen, nahm mehr
und mehr Kredite auf.«
    »Bis die
Blase platzte.«
    »Ich war
nur einer von vielen. Von den vielen, die nicht glauben wollten, dass Börsenkurse
auch wieder einbrechen können. Wie das Kaninchen saß ich hypnotisiert vor der Schlange
und sah tatenlos zu, wie sich mein sagenhaftes Vermögen in nichts auflöste.«
    »Da waren
Sie ja nicht der Einzige, der den richtigen Verkaufszeitpunkt verpasst hat«, stellte
Paul fest.
    »Mittlerweile
steh’ ich drüber. Damals nicht. Viele sind gesprungen. Auch ich saß
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