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Exzession

Exzession

Titel: Exzession
Autoren: Ian Banks
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besser
kannte als sie sich selbst, anscheinend in diesem Augenblick
korrumpiert, verführt, besiegt war, durfte ihre Urteilskraft
oder ihr Selbstvertrauen nicht beeinträchtigen.
    Der Displacer, dachte sie. Ich brauche lediglich in die
Nähe des Displacer-Kokons zu kommen, das ist alles…
    Dann spürte sie, wie ihr Körper gescannt wurde, und zwar
von einem engbegrenzten Punkt aus, der nahe beim KI-Kern des Schiffes
plaziert war, und sie wußte, daß ihre Zeit gekommen war.
Der Angriff war ebenso elegant wie ungestüm, und die
Übernahme so unvermittelt, daß es an Gleichzeitigkeit
grenzte; die Kampftaktik der einfallenden fremden Bewußtseine
wurde unterstützt durch den Denkprozeß und das
übertragene Wissen des inzwischen offensichtlich vollkommen
überwältigten Schiffs.
    Ohne Pause, um auch den geringsten zeitlichen Raum für einen
Fehler auszuschließen, verschob die Drohne ihre eigene
Persönlichkeit aus ihrem KI-Kern in ihren Sicherungsspeicher und
machte gleichzeitig die Signalkaskade bereit, die ihre wichtigsten
Pläne, Programme und Instruktionen zuerst an den elektronischen
Nanoschaltkreis und dann an das atomechanische Substrat
übermitteln würde, und schließlich – als absolut
letzte Zuflucht – an ein freches kleines (obwohl mit seinen
mehreren Kubikzentimetern immer noch verschwenderisch großes)
halbbiologisches Gehirn. Die Drohne ließ das, was ihr echtes
Gehirn gewesen war, verstummen und schaltete es aus, der einzige Ort,
an dem sie während ihres ganzen Lebens jemals wirklich existiert
hatte, und ließ das Bewußtseinsmuster, welches auch immer
dort Wurzeln geschlagen haben mochte, an Energiemangel zugrunde
gehen, wobei sich das zusammenbrechende Bewußtsein in Form von
schwachen, informationslosen ausströmenden Neutrinos dem neuen
Geist der Maschine aufpfropfte.
    Die Drohne bewegte sich bereits; heraus aus der Körpernische
in der Wand und in den Kajütgang. Sie beschleunigte im Korridor
und spürte, wie sie vom Blick des Flecks der Deckenstrahlkamera
verfolgt wurde. Strahlungsfelder glitten über den
militarisierten Körper der Drohne, streichelnd, tastend,
eindringend. Eine Inspektionsluke platzte direkt vor der Drohne in
dem Kajütgang, und etwas explodierte heraus; Kabel brachen frei
und füllten sich bis zum Überfließen mit elektrischem
Strom. Die Drohne zoomte näher und schwenkte dann ab; eine
Stromentladung knisterte direkt über der Maschine durch die Luft
und brannte ein Loch in die gegenüberliegende Wand; die Drohne
wand sich durch das Wrack und powerte weiter durch den Korridor,
wandte sich flach in ihre Reiserichtung und streckte ein Aktionsfeld
durch die Luft, um an einer Ecke zu bremsen, dann prallte sie von der
gegenüberliegenden Wand ab und beschleunigte einen anderen
Kajütgang hinauf. Es war einer der Querachsen-Korridore, und
entsprechend lang. Die Drohne erreichte in der für Menschen
atembaren Atmosphäre schnell die Schallgeschwindigkeit; eine
Notöffnung schlug eine ganze Sekunde, nachdem sie hindurch war,
hinter ihr zu.
    Ein Raumanzug schoß aus einem abfallenden senkrechten
Röhrengang am Ende des Kajütgangs hoch, krümmte sich
zum Halt, bäumte sich dann auf und stolperte heraus, um sich der
Maschine in den Weg zu stellen. Die Drohne hatte den Anzug bereits
unter die Lupe genommen und festgestellt, daß er leer und
unbewaffnet war; sie ging geradewegs durch ihn hindurch und
ließ die zappelnden Hälften wie einen in sich
zusammengesackten Ballon am Boden und an der Decke zurück. Die
Drohne warf ein zweites Aktionsfeld um sich herum, um sich dem
Durchmesser des Kajütgangs anzupassen, und ritt auf einem Zapfen
aus verdichteter Luft beinahe im Stand, dann bog sie um die
nächste Ecke und beschleunigte wieder.
    Eine menschliche Gestalt in einem Raumanzug lag auf halber Strecke
im nächsten Korridor, in dem der Druck schnell zunahm, begleitet
von einem fernen Dröhnen von Gas. Rauch erfüllte den
Kajütgang in der Ferne, dann entzündete er sich, und die
Mischung verschiedener Gase explodierte und breitete sich in der
Röhre aus. Der Rauch war für die Drohne durchsichtig und
viel zu kühl, um ihr irgendwie zu schaden, aber die sich
verdichtende Atmosphäre verlangsamte sie allmählich, was
zweifellos genau die Absicht war, die dahintersteckte.
    Die Drohne nahm den Menschen und den Anzug so gut sie konnte unter
die Lupe, während sie sich ihm durch den rauchgefüllten
Korridor näherte. Sie kannte die Person in dem Anzug gut; der
Mann war seit fünf Jahren auf
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