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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
Autoren: Thor Heyerdahl
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der gleichen gewöhnlichen Art herausholte. Der Froschmann Georges war zu der Culpepper geschwommen, um einen ehrlichen Tauschhandel vorzunehmen: frischen Fisch, ägyptisches Brot und immer wohlschmeckendes marokkanisches Sello gegen unnötige, aber verlockende Apfelsinen. Die Sonne ging schnell unter. Er stand gerade auf dem Achterdeck und wollte abspringen, um zur Ra II zurückzuschwimmen, und der Scheinwerfer der Culpepper spielte auf den Wellen, um ihm den Weg zu leuchten, als ihn ein schwarzer Mann anhielt und fragte, ob wir auf der Ra keine Angst vor Haien hätten.
    »Nein«, sagte Georges flott, nahm aber das vorschnelle Wort gleich zurück, als der Mann ruhig auf einen großen Menschenhai zeigte, der langsam vom Kiel in den Lichtstrahl glitt. Unser Schlauchboot war vom Reiben gegen die Tonkrüge an Bord so mitgenommen, daß wir es nicht wagten, es zu Wasser zu lassen. Georges mußte die Nacht auf der Culpepper verbringen und kam am nächsten Morgen in einem kleinen Metalldingi ohne Ruder zurück, das mit Georges an Bord von der Culpepper an einem Tau weggefiert und leer zurückgezogen wurde.
    Die Culpepper hielt sich den ganzen nächsten Tag hinter uns an der Backbordseite. Tags darauf, am 12. Juli, sagten uns große Schwärme Seevögel, die von Westen herüberkamen, daß das erste Land gleich hinter dem Horizont liegen mußte. Es war Sonntag. Norman und ich hatten von 5 Uhr bis 8 Uhr Wache; wir standen auf der Brücke und freuten uns auf die Ablösung. Bald würden Carlo und Kei herauskrauchen, unsere letzten Eier aus der Kalkgrütze hervorholen und zum Sonntagsfrühstück braten. Wir besaßen immer noch reichlich Proviant, besonders Säcke voll ägyptischem »Mumienbrot« in den Kisten, auf denen wir schliefen; gesalzene Würste und Schinken hingen unter dem Bambusdeck, und Krüge mit Sello , der honigsüßen Mandelmischung, die alles enthielt, was ein Wüstenwanderer in Marokko brauchte. Wir hatten nie hungern müssen und waren in guter Verfassung. Da fiel mir etwas auf, und ich packte Norman am Arm.
    »Kennst du das?« fragte ich und schnupperte in der salzigen Meeresluft. »Phantastisch, ein deutlicher Duft von frischem, grünem Heu!«
    Wir schnupperten beide. Wir waren 57 Tage auf See gewesen. Santiago, Carlo und die anderen kamen heraus und schnupperten mit uns. Wir Nichtraucher spürten es am deutlichsten. Du lieber Himmel, es duftete auch nach Kuhmist! Es war stockfinster, und wir sahen nichts. Aber die Wellen bewegten sich merkwürdig, gleichsam in anderem Rhythmus; es mußte ein Reflex vom Lande sein. Wir legten beide Steuerruder hart nach Steuerbord über - von dort kam der Wind - und hielten Kurs so dicht an Nord wie möglich. Unglaublich, wie gut das Schilfboot hart am Wind segeln konnte.
    Norman, Carlo und Santiago kletterten abwechselnd den ganzen Vormittag in die Mastspitze, und um 12.15 Uhr unserer Zeit hörten wir ein wildes Gebrüll über unseren Köpfen.
    »Hurra!«
    Norman hatte Land gesehen. Safî schrie, und die Ente watschelte flügelschlagend über Deck. Wie Fliegen klammerten wir uns alle an den Stufen des schwankenden Schrägmastes fest. Jetzt, wo der größte Teil des Papyrus unter Wasser lag, war die Ra fester. Die Culpepper ließ das Horn aufheulen. Dort sahen wir das Land, niedrig und flach am Horizont im Nordwesten. Wir hatten den letzten Tag zu weit nach Süden gesteuert; wir hatten versucht, dem Strom entgegenzuwirken, der genau vor der Insel einen Bogen nach Norden beschrieb. Da hatten wir offensichtlich zu viel des Guten getan. Dafür mußten wie jetzt das Großsegel shiften und alle Steuerruder hart in die entgegengesetzte Richtung drehen, sonst wären wir an Barbados vorbeigesegelt und irgendwo in der dichten Inselkette dahinter gelandet. Verwandte und Freunde erwarteten uns auf Barbados. Die Ra II gehorchte den Manövern wie eine Jacht mit Kiel. Die gerade, tiefe Furche zwischen beiden Schilfrollen wirkte wahrscheinlich wie ein negativer Kiel. Der Wind kam fast von der Seite, und die rote Rettungsboje hing gerade im Schlepp und sagte uns, daß wir uns ohne Seitendrift in die Richtung bewegten, in die der Bug zeigte, direkt auf die flache Küste zu.
    Als wir uns zum Mittagessen um den Hühnerkäfig niederließen, wußten wir, daß es unsere letzte Mahlzeit an Bord sein würde. Am späten Nachmittag hörten wir Flugzeuglärm. Ein kleines Privatflugzeug umkreiste uns und winkte mit den Tragflächen. Kurz darauf kam von der Insel ein größeres zweimotoriges Flugzeug mit
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