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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
Autoren: Thor Heyerdahl
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Außerdem sei es seine verdammte Idee gewesen, auch diesmal Essen und Wasser in Krügen aufzubewahren, statt leichte Konserven und Wasser in Kanistern mitzunehmen. Auf der Ra I hatten wir bewiesen, daß man ohne moderne Kost leben konnte, warum, zum Teufel, sollten wir es noch einmal beweisen? Und wenn er es schon durchgedrückt hatte, daß wir auch dieses Mal über hundert schwere Krüge mitnahmen, dann hätte er als Quartiermeister sie so gut festbinden müssen, daß keiner zerdrückt wurde und uns dazu zwang, das Wasser zu rationieren.
    »Die Krüge sind ebensoleicht wie Kanister - und wer hat alles Wasser aus den großen Ziegenledersäcken ins Meer geschüttet!«
    Ein wildes Wortgefecht entstand; hitzige Schimpfwörter fielen, aufgestauter Ärger entlud sich. Uns allen um den Hühnerkäfig wurde der Appetit kräftig verdorben. Santiago schlug von seinem Katheder an der Mastleiter zurück, aber zum Schluß saß er dort stark angeschlagen, während die anderen ihn gemeinsam angriffen. »Carlo«, sagte ich. »Du bist von Beruf Bergsteiger, ein erfahrener Expeditionsteilnehmer. Du kannst von einem Universitätslehrer nicht verlangen, daß er genauso gut wie du Knoten bindet und Anstrengungen aushält. Du bist wie ein Pfarrer, so perfekt, daß du von anderen verlangst, sie müßten alles ebenso gut machen wie du.«
    Das war wohl das Schlimmste, was ich hätte sagen können. Carlo erhob sich langsam, sein Gesicht wurde röter als sein Bart. Er faßte sich mit einer Hand in die Haare.
    »Ich, ein Pfarrer!«
    Eine Weile stand er sprachlos und schluckte. Dann wandte er sich von mir ab und streckte Santiago seine offene schwielenbedeckte Hand entgegen:
    »All right. Vergessen wir das Ganze, Männer!«
    Alle beugten sich über den Hühnerkäfig und schüttelten sich die Hand. Norman holte für sich und Kei eine Mundharmonika, Madani zog seine flache marokkanische Trommel hervor, und als ich zwei Stunden später ins Bett ging, hörte ich ein Festkonzert mit Chorgesang auf dem Vorderdeck, mit einem Repertoire aus allen Himmelsrichtungen.
    Die Fahrt mit der Ra I war vom ersten Tag an, als uns beide Steuerruder brachen, eine reine Driftfahrt gewesen. Als wir das Experiment abbrachen, trieben wir direkt auf Barbados zu, die südlichste der Westindischen Inseln. Dieses Mal waren wir immer noch vollkommen seetüchtig und beschlossen, direkt auf diese Insel zuzusteuern. Die Entfernung bis nach Barbados wurde deswegen täglich in Seemeilen gemessen. Einen günstigeren Kurs hätten wir nicht wählen können, um Wind und See direkt von hinten zu haben. Für die Steuerwache war es nur verdammt schwierig, zu verhindern, daß sich das durchnäßte Schilfboot drehte und seitwärts in Richtung Barbados trieb. Nach der Nachtwache waren wir zum Umfallen müde. Schlug das Boot herum, so daß sich das Segel verfing und das Meer an Bord raste, wurde Juris Segeltuch zerfetzt; und die arme Steuerwache mußte sich die heftigen Vorwürfe der anderen gefallen lassen, wenn sieben nackte Männer den Rettungsgürtel anlegen und hinaus in die Dunkelheit mußten, bis zur Hüfte im brausenden Wasser, um am Segel zu ziehen und zu schieben, zu rudern, gegenzurudern und Ladung zu bergen. Einige Männer baten vorsichtig darum, die Verantwortung auf der Brücke nicht allein tragen zu müssen. Wir verlängerten die harte Nachtwache von zwei auf drei Stunden - aber jetzt standen zwei Männer gleichzeitig auf der Brücke.
    Wir mußten irgend etwas unternehmen, damit wir durch die schwerfällige Steuervorrichtung nicht zu Schaden kamen.
    »Stell dir vor, wir könnten die Masten weiter nach vorn versetzen«, fabulierte ich eines Nachts, als Norman und ich gemeinsam auf der Brücke Wache hielten. »Wenn das Segel ganz weit nach vorn an den Bug käme, würde sich das Boot ganz allein steuern.«
    »Das läßt sich machen«, sagte Norman begeistert. Und noch ehe am nächsten Morgen jemand richtig ein Wort davon wußte, begannen wir eine äußerst schwierige Operation. Die Spitze des schweren Schrägmastes sollte versetzt werden, damit das Segel nach vorn kam.
    Norman schlug mit einer Axt gegen die Unterseite der Mastfüße, so daß die Fußfläche nach vorn kam. Dann lösten wir vorsichtig alle zwölf parallelen Leinen, die vom Schrägmast achtern an beide Seiten des Schilfbootes führten. Damit konnten wir den zehn Meter hohen und mindestens dreihundert Kilo schweren Doppelmast kanten. Wenn wir die Mastspitze nach vorn zogen, folgte die Rahe mit, und als wir die Stage
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