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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
Autoren: Thor Heyerdahl
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verschwand. Wir blieben ohne Erklärung zurück.
    Jetzt begannen wir selbst, rote Signalfackeln anzuzünden und Raketen mit Sternenregen hochzuschicken, um der Calamar unsere Position anzuzeigen. Es war eine seltsame Nacht. Wir bekamen die Stimme der Calamar wieder in das kleine Gerät, aber sie konnten die Raketen nicht sehen und waren nicht an Deck gewesen, als die Lichtscheibe sich zeigte. Am nächsten Morgen hörten wir von dem Funkamateur auf Barbados, daß dasselbe Phänomen von mehreren Westindischen Inseln aus beobachtet worden war - aber im Nordosten. War es ein Raketenteil von Cape Kennedy, das explodierte und verglühte, als es in die Atmosphäre eintrat? Wir bekamen niemals eine Antwort. Aber UFO-Begeisterte, die nach Beweisen für fliegende Untertassen suchten, brachten die Erscheinung mit zwei anderen Beobachtungen in Zusammenhang, die wir zwei Nächte hintereinander weiter draußen auf dem Meer gemacht hatten. Dort hatten wir am nordwestlichen Horizont zweimal ein kleines, orangefarbenes Licht gesehen; das erste wie ein kurzes Aufflackern, ohne daß sich ein Schiff in der Nähe befand, das andere war tropfenförmig und wurde gerade in dem Augenblick beobachtet, als es schräg heruntersegelte und im Meer verschwand. Wir "warnten Funkamateure an Land, falls es Notraketen von einem Schiff in Seenot sein sollten; aber niemand hatte SOS gefunkt, so daß alles auf Signale zwischen Marinefahrzeugen bei einer Übung hindeutete, vielleicht hatte ein aufgetauchtes U-Boot seine Position angezeigt.
    Während wir mit vollen Segeln genau nach Westen geblasen wurden, fuhr die Calamar kreuz und quer um uns herum und suchte uns. Wir besaßen nur wenige Raketen, hielten aber ständig von der Mastspitze Ausschau. Die Sonne ging auf, es wurde Tag. Norman, der die Hände mit dem Sextanten, dem Rechenbrett und den Kurbeln des kleinen handbetriebenen Notrufsenders voll hatte, erzählte uns dauernd, die Calamar müsse ganz nahe sein, bald nördlich, bald südlich, immer hinter endlosen Reihen hoher Wellen verborgen. Wir aßen zu Mittag. Und Abendbrot. Wir gaben den Gedanken auf, daß uns jemand finden würde. Die Sonne war dabei, wieder zu verschwinden. Es war 6 Uhr früh Ortszeit; aber unsere Uhren zeigten 9 Uhr, denn wir hatten sie nur einmal gestellt, nachdem wir Afrika verlassen hatten. Da erblickten sich die Wachen auf beiden Booten gleichzeitig. Der Funker auf der Calamar berichtete, er sähe ein Segel, und wir sahen einen beinahe unsichtbaren grauen Flecken am Horizont - hinter uns. Die Dunkelheit senkte sich auf uns herab, als ein stolzes kleines Schiff uns einholte. Es war ein großer Augenblick.
    Der schnelle Trawler fuhr hart an unsere Seite und grüßte durch Heben und Senken der blauen UN-Flagge, die an der Mastspitze wehte. Norman eilte an den Schrägmast und antwortete mit unserer UN-Flagge, von ihr waren nur noch zwei Drittel übrig, der Rest war im Sturm weggeflogen. Wir waren in Hochstimmung; alle kletterten auf die Brücke, das Dach, in den Mast, pfiffen, brüllten Hallo und bliesen ein schmetterndes Jagdhorn. Die Mannschaft des UN-Bootes stand vollzählig an der Reling und winkte und schrie zurück; Braune, Weiße und Schwarze. Auf der Brücke der Kapitän. Ein Chinese. Neben ihm stand ein Bursche mit einem Sprachrohr und brüllte auf schwedisch:
    »Willkommen auf dieser Seite des Meeres! :«
    Als Kei den Chinesen auf der Brücke erblickte, geriet er völlig aus dem Häuschen. Er kroch zu mir aufs Dach und streckte die Hand aus:
    »Vielen Dank, daß ich mitfahren durfte.«
    Über dem ganzen Zusammentreffen lag etwas Unwirkliches. Daß gerade ein UN-Boot uns als erstes auf der anderen Seite traf! Ich hatte außer der Ra nie zuvor ein Schiff mit einer UN-Flagge gesehen. Die Dunkelheit senkte sich auf das Meer; das hell erleuchtete Boot umkreiste uns mehrere Male, dann stellte es den Motor ab, um in der Nacht zu treiben. Die Lichter verschwanden schnell hinter uns, bis wir wieder mit den Wellen und unserem schwachen Paraffinlicht allein waren. Gemütlich, aber einsam.
    Spät in der Nacht wurden wir daran erinnert, daß die Fahrt noch nicht zu Ende war. Plötzlich kam ein gewaltiger Windstoß aus Norden und zerrte das Segel quer, ehe die Ruderwache sich versah. Der Winddruck auf das große Segel war so kräftig, daß die ganze Ra nach Backbord krängte und unser Deck unter Wasser gepreßt wurde. Für uns in der Hütte war es ein ungewohntes Gefühl, auf Lee hinauszugehen, um bis zum Schritt im Wasser zu stehen
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