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Exit Mosel

Exit Mosel

Titel: Exit Mosel
Autoren: Mischa Martini
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Medikamenten im Bereich der Operationssäle zu haben.«
    »Dann hat es sich für Sie halt so dargestellt.« Sie zuckte mit den Schultern.
    »Und später ist Ihr Mann gekommen.«
    »Nein«, konterte sie schnell.
    »Warum betonen Sie das so?« Grabbe witterte eine Chance.
    Lydia Holbach ließ sich wieder in das Polster zurücksinken. »Als dieser Roth hierher kam, hatte er wohl vorher schon was geschluckt, aber das habe ich erst später gemerkt. Ich kannte den Typen, diesen Roth, ja nicht. Der hat sich mächtig aufgeregt, er wollte unbedingt auf meinen Mann warten. Der wollte einfach nicht mehr gehen und ist zudem noch laut geworden. Da dachte ich, bevor das eskaliert, mische ich ihm etwas zur Beruhigung in den Wein. Ich habe ja nicht ahnen können …«
    »Um was hat es sich genau gehandelt?«
    »Weiß ich nicht, Valium oder Diazepam.«
    Das Wort Diazepam ließ bei Grabbe sämtliche Alarmglocken läuten. So ruhig er konnte, fragte er: »Wie viel haben Sie ihm gegeben?«
    »Ein großes Glas Wein. Ich habe nicht damit gerechnet, dass er das überhaupt ganz trinkt.« Sie hob ihre Tasse und stellte sie ohne zu trinken wieder ab.
    »Und wie viel von dem Medikament war darin?« Grabbe schaute zum Fenster. Die Rollläden waren heruntergelassen.
    »Ein Fläschchen mit 20 ml oder so.«
    »Erschien Ihnen die Dosis nicht zu hoch?«
    »Nein, bei einem Erwachsenen ist das okay. Ich kenn’ mich ein wenig mit dem Zeug aus. Wenn man es bei der Einnahme verdünnt, ist die Wirkung geringer.«
    »Aber Sie haben es mit Alkohol verdünnt!« Grabbe konnte es nicht fassen. Verhörtechnik gehörte nicht unbedingt zu seinen Stärken, aber nun war er im Begriff, einen Coup zu landen. Er fingerte nach dem obersten Knopf seines Hemdes, aber er war schon offen. Sie hatte doch nichts in den Punsch gemischt?
    »Ja, das habe ich wohl nicht bedacht. Ich habe nur gehofft, dass der Tanningeschmack des Weins den des Medikaments überlagert.«
    Ein Schweißtropfen perlte von Grabbes Stirn auf die Brille. Er beobachtete, wie Lydia Holbach sich aus der bauchigen Teekanne nachschenkte. Aus dem gleichen Gefäß stammte auch sein Punsch.
    *
    »Papa, mir ist kalt.« Annika zupfte an Waldes Jacke.
    »Möchtest du einen Tee oder noch eine Schokolade?« Er strich ihr über die Mütze und ließ seine Hand in ihrem Nacken liegen.
    Auf dem Fluss tuckerte ein Schiff vorbei. Walde hob seine Tochter hoch und zeigte durch das Tor auf das erleuchtete Führerhaus, über dem sich langsam ein Radar drehte. Sie hielt immer noch den Dreizack in der Hand.
    »Was hatten Sie hier in Trier zu tun, als die Frau mit ihrem Wagen in die Mosel fuhr?«
    »Ich habe eine Klasse chauffiert. Ich bin oft in Trier und wohne dann meistens in der Jugendherberge hier am Moselufer.« Hoek drehte sich um und zeigte hoch zur angestrahlten Mariensäule auf dem Markusberg. »Die Aussicht von der Mariensäule auf die Stadt ist wirklich fantastisch.«
    »Und dann waren Sie, wie die Zeitung schrieb, der richtige Mann am richtigen Ort.«
    Annika klopfte mit dem Stiel des Dreizacks auf die Theke.
    »Kann ich den wieder haben?«, bat Holbach, der unruhig geworden war. »Ich glaube, so langsam sollte ich mich besser umziehen.«
    »Eigentlich waren wir nur Lebensverlängerer«, sagte er.
    »Was heißt wir?« Walde blickte Holbach nach, der, seinen Dreizack mit den Spitzen nach unten haltend, in Richtung der Umkleideräume verschwand.
    »Ja, der andere Mann und ich.«
    »Bei uns hieß es in der Presse, sie wären der einzige Retter gewesen. Ansonsten habe es nur noch einen Schaulustigen gegeben.«
    »Das stimmt nicht. Ich habe die Frau zwar aus dem Wagen rausgeholt, aber danach wäre sie ertrunken, wenn der Mann nicht gewesen wäre. Ich hatte nicht mehr die Kraft, sie ans Ufer zu ziehen. Ich war froh, mich selbst zu retten.«
    »Dieser zweite Mann …?«
    »Das sah zwar nicht sehr professionell aus, was er gemacht hat, aber er hat die Frau rausgeschleppt.«
    »Warum haben Sie das nicht klargestellt, als es in den Zeitungen stand?«
    »Davon höre ich jetzt zum ersten Mal. Ich habe keine deutsche Zeitung gelesen. Am nächsten Tag war die Klassenfahrt zu Ende. Und bei uns dachte ich, dass es der holländischen Presse nur um mich ging, weil ich ein Landsmann bin.«
    Walde reichte ihm ein Foto. »Erkennen Sie den Mann wieder?«
    Jacco Hoek legte einen Finger über das Gesicht. »Das kann er gewesen sein. Ich habe ihn nur kurz und mit nassem Haar gesehen. Er ist dann gleich weiter auf seinem Rad, als die Leute
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