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Ewig sollst du bueßen

Ewig sollst du bueßen

Titel: Ewig sollst du bueßen
Autoren: Allison Leotta
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zu können.
    Als sie zum Jefferson Memorial kam, ließ sie sich auf eine der
Marmorstufen sinken. Den wunderbaren Blick über das Tidal Basin und die
blühenden Bäume an seinem Rand nahm sie überhaupt nicht wahr. Sie dachte daran,
wie sie mit Nick letzten Sommer hier gepicknickt hatte, wie er sie aufgezogen
hatte, als sie die fetten Enten fütterte, wie sich seine weichen Lippen auf
ihre drückten, als er sie im Sonnenlicht küsste.
    Sie wollte einfach, dass Nick ein guter Mensch war.
    Es wurde ihr klar, dass sie in einer ähnlichen Lage war wie so viele
der Opfer von häuslicher Gewalt, für die sie arbeitete. Sie hatte die Macht,
einen Mann, den sie liebte, mit nur ein paar Worten zu vernichten.
    Anna verstand endlich, warum sich so viele Frauen nicht dazu
durchringen konnten. Ihr Handy klingelte und unterbrach ihre Träumerei. Sie
blickte hoch und sah, dass die Sonne unterging und über den Kirschbäumen am
dunkler werdenden Himmel rosa Streifen hinterließ. Sie hatte eine ganze Stunde
hier gesessen. Die Menschen waren weniger geworden und die Tretboote alle festgemacht.
Die meisten der Touristenfamilien waren auf dem Weg zum Abendessen in ihre
Hotels.
    Anna schaute auf ihr Telefon. Es war Nick. Sie konnte heute Abend
natürlich nicht mit ihm ausgehen. Sie würde ihre Pläne streichen und auflegen.
    Â»Hi, Nick«, antwortete Anna und war überrascht, wie normal sie
klang.
    Â»Hey, Schöne«, sagte Nick. »Es ist gut, dass ich dich wieder anrufen
kann. Wo wollen wir uns treffen?«
    Â»Es klappt nicht, ich kann heute Abend nicht. Es tut mir leid.«
    Â»Warum? Wenn du lange arbeitest, komme ich bei deinem Büro vorbei.«
    Â»Nein, ich bin schon gegangen.«
    Â»Dann komme ich zu dir nach Hause.«
    Â»Ich bin nicht zu Hause«, unterbrach Anna ihn. »Ich habe einen
Spaziergang zum Jefferson Memorial gemacht. Ich musste nachdenken.«
    Â»Prima. Dann komme ich zum Jefferson.«
    Â»Nein! Nick, bitte komm nicht hierher …«
    Â»Bis in einer Stunde.«
    Es klickte und Nick hatte aufgelegt.
    Anna starrte auf ihr Handy, während der Himmel immer dunkler wurde.
    Sie saß eine Weile so da und fragte sich, was sie tun sollte.
Schließlich klappte sie ihr Handy wieder auf und wählte die Nummer von Jacks
Büro. Seine Mailbox antwortete. »Verdammt«, fluchte sie leise. Ging er ihr immer
noch aus dem Weg? Sie rief seine Sekretärin an.
    Â»Hallo, Miss Vanetta, hier ist Anna. Kann ich mit Jack sprechen?«
    Â»Tut mir leid, meine Liebe, er ist gerade draußen, aber wenn Sie
eine Nachricht hinterlassen …«
    Â»Hören Sie zu«, unterbrach Anna. »Es tut mir leid, aber es geht um
einen Notfall. Was auch immer er tut, Sie müssen ihm sagen, dass ich es bin –
und dass es dringend ist. Bitte.«
    Â»Bleiben Sie dran«, sagte Vanetta skeptisch.
    Einen Moment später nahm Jack ab.
    Â»Hallo, Anna.« Seine Stimme war kühl und professionell. »Was ist
los?«
    Anna atmete tief durch. Dann erzählte sie ihm alles, was sie
herausgefunden hatte, seit sie sich vor dem Gericht verabschiedet hatten.
    Als sie mit ihm sprach, trübte sich ihr Blick auf die Kirschblüten
und sie fühlte eine kühle Nässe auf ihren Wangen. Sie hob ihre Hand, um sich
die Tränen, die ihr übers Gesicht strömten, abzuwischen, und versuchte sich
nicht anmerken zu lassen, dass sie weinte, während sie Jack alle Einzelheiten
erzählte. Aber es war die schwierigste Unterhaltung, die sie je geführt hatte.
Indem sie diese Informationen weitergab, betrog Anna einen Mann, den sie
geliebt hatte – und wieder geliebt haben könnte, wenn die Dinge anders gelegen
hätten. Sie tat das, was sie so vielen Opfern von häuslicher Gewalt geraten
hatte: die Wahrheit zu sagen, selbst wenn es das Ende ihrer Beziehung und unter
Umständen die Festnahme eines Mannes bedeutete, der sie einmal sehr glücklich
gemacht hatte.
    Sie tat es aber nicht nur aus Prinzip, für die Wahrheit oder
Gerechtigkeit an sich. Sie tat es für Laprea. Für Jody. Und für sich selbst, um
ihren eigenen Begriff von Ehre und Würde wiederherzustellen.
    Als sie zum Ende ihrer Geschichte kam, biss Anna sich auf die Lippe,
um ihre Stimme zu beruhigen. Dann sagte sie laut die Worte, die sie gedacht und
gefürchtet hatte. »Jack«, sagte sie heiser, »ich glaube, Nick hat etwas mit Lapreas
Tod zu tun.«
    Sie ließ
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