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Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Titel: Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte
Autoren: Claudia Gray
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Menschen umbringen? Dafür war ich nicht bereit, noch nicht einmal, wenn die fraglichen Menschen anscheinend willens waren, mich zu töten.
    »Wir brauchen keine Geisterkräfte«, stieß ich rasch hervor. »Wir brauchen die Polizei.«
    »Die Polizei?«
    »Vic, du musst 911 wählen! Sag ihnen, dass es hier gerade … einen Hausfriedensbruch gibt oder dass hier ein Raubüberfall stattfindet, irgendwas!« Das Schwarze Kreuz versuchte, nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen, denn sie wollten nicht ins Visier der Behörden geraten. »Sobald sie die Sirenen hören, werden sie verschwinden.«
    Vic stürmte ins Haus, wo er sein Handy zurückgelassen hatte. Ich rannte zu Lucas, auch wenn ich mir nicht sicher war, was ich tun sollte, außer ihn verzweifelt davon abzuhalten, entweder getötet zu werden oder seine Mutter umzubringen.
    Ein wilder Blick von Lucas verriet mir, dass er nicht mehr klar bei Sinnen war. Also schrie ich: »Kate, hör auf! Das willst du doch gar nicht tun!«
    »Lass mich! Ich muss meinem Sohn Frieden geben!« Sie hörte nicht auf, Lucas zu umkreisen; um eines ihrer Augen wuchs bereits ein tiefblauer Bluterguss, der von Lucas’ Faust stammte. Niemals hätte Lucas ihr etwas Derartiges zugefügt, wenn er noch über einen letzten Rest Selbstkontrolle verfügt hätte.
    Ich schob mich zwischen die beiden. Nicht, dass Kate mir etwas tun konnte, denn ich war ja schließlich tot. »Du darfst ihn nicht umbringen. Du weißt, dass du das gar nicht willst.«
    Ihr Blick ging durch mich hindurch und konzentrierte sich auf die verschwommenen Umrisse ihres Sohnes hinter meiner durchscheinenden Gestalt.
    »Ich kann, und ich werde.«
    Meine Verzweiflung erreichte ihren Höhepunkt. Ich sah Kate an und flehte mit jeder Faser meiner Seele, dass sie aufhören und versuchen möge zu begreifen, dass ihr Sohn noch immer bei ihr war. Ich hoffte so sehr darauf, dass sie ihn durch meine Augen sehen könnte, dass es sich beinahe so anfühlte, als wäre meine Verzweiflung zu einer Klinge geworden, die durch sie hindurchschnitt.
    Dann überrollte mich eine seltsame Woge und zog mich innerhalb eines Wimpernschlages zu Kate. Ehe ich mich selbst fragen konnte, was vor sich ging, spürte ich, wie ich in Lucas’ Mutter hineingezogen und von ihr absorbiert wurde. Einen Moment lang wurde alles schwarz um mich herum, und als ich wieder etwas sehen konnte, dämmerte mir, dass ich durch Kates Augen blickte. Ich konnte ihren Körper rings um mich herum spüren wie eine Rüstung – allerdings eine, die warm war, atmete und deren Herz pochte.
    Kates Hand ließ den Pflock fallen, während ihre Füße rückwärts stolperten. Das Einzige, was ich denken konnte, war: Ich habe von jemandem Besitz ergriffen. Kate ist jetzt von mir besessen. Wie um alles in der Welt habe ich das bewerkstelligt? Die schiere Kraft meiner Verzweiflung hatte beinahe wie ein Rammbock gewirkt und eine Pforte in Kates tiefstes Inneres geöffnet. Waren alle Geister dazu in der Lage? Ich hatte keine Ahnung. Alles, was jetzt zählte, war meine Fähigkeit, diesem Kampf ein Ende zu bereiten.
    Lucas griff mich an, und ich wich ihm aus, allerdings schwerfällig, denn es war merkwürdig und ungewohnt, Kates Körper zu kontrollieren; ein wenig erinnerte es mich an meine erste Fahrstunde. Ich schrie: »Los, alle Mann, wir verschwinden!«
    Es klang komisch, mit Kates Stimme zu sprechen, aber ich hörte nicht auf, Befehle zu rufen.
    »Wir ziehen uns zurück!«
    Und dann verspürte ich etwas noch Seltsameres: Kates Geist kämpfte gegen meinen an und versuchte, mich loszuwerden. Konnte er das schaffen? Ich entschied, ihm nachzugeben, wenn das möglich war.
    Im gleichen Moment merkte ich, wie ich aufgelöst und unsichtbar in einem traumartigen Nebel aufwärtsschwebte. Ich wurde aus den Gedanken gerissen, als ich Kate mit vor Angst zitternder Stimme sagen hörte: »Wir müssen hier weg.«
    Die Jäger rannten zu ihren Last- und Lieferwagen und reagierten damit entweder auf Kates erste oder ihre zweite Aufforderung. Lucas setzte ihr nach, aber Balthazar drängte ihn zur Seite, stieß ihn zu Boden und hielt ihn zurück.
    Als die Rücklichter auf der Straße kleiner wurden, kam Vic aus dem Haus gerannt, beide Hände in seinem sandfarbenen Haar vergraben, als müsse er seinen Kopf zusammenhalten. »Wie bitte? Habe ich etwa umsonst die Cops gerufen?«
    »Erst mal solltest du glücklich sein, dass das Schwarze Kreuz verschwunden ist«, stellte Ranulf richtig und klopfte seine Kleidung ab, ruhig
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