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Everlasting

Everlasting

Titel: Everlasting
Autoren: Holly-Jane Rahlens
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Ich wollte daran glauben. Ich musste.
    «Finn?»
    Ich saß auf der Treppe des Pavillons, ohne zu wissen, wie ich dorthin gekommen war. Rouge saß neben mir.
    «Alles in Ordnung mit dir?», fragte sie.
    Ich nickte etwas benommen, noch unter dem Bann meiner Gedanken.
    Die Dunkelheit hatte sich herabgesenkt, und die Sterne glimmerten schwach. Es war eine wunderschöne Nacht.
    «Rouge», sagte ich leise, «was meinst du, wie hoch sind die Chancen, die große Liebe zu finden? Den einen Menschen zu finden, den du liebst und der dich genauso auch liebt?»
    «Möchtest du eine exakt ausgerechnete mathematische Lösung?»
    Ich grinste – Rouge blieb eben Rouge. «Ungefähr tut’s auch.»
    «Die Chancen sind ziemlich mager. Kaum vorhanden. Vor allem hier. Aber auch schon damals.»
    «Ja. Schlichtweg unerreichbar, nicht?» Ich starrte hinauf in den tiefen schwarzen Himmel. «Genauso gut könnte man versuchen, eine Sternschnuppe mit einem Schmetterlingsnetz zu fangen.»
    Wir blieben eine Weile dort sitzen, im Englischen Garten des Museums der Europäischen Kulturen, lauschten dem plätschernden Brunnen, hüllten uns in den Duft der Lilien, bewunderten die Choreographie der Sterne.
    «Eins zu 285   465», erklärte Rouge.
    «Hm?» Sie hatte mich aufgeschreckt.
    «Die Gewinnwahrscheinlichkeit beträgt 1   :   285   465, den einen Menschen zu finden, der dir alles bedeutet und demdu alles bedeutest. Dort. Hier sind die Chancen noch viel geringer.» Tränen standen in ihren Augen.
    «Rouge?»
    Ihre Brust hob sich. Und senkte sich. Sie atmete schwer.
    Ich nahm ihre Hand. «Rouge?»
    «Diese Freundin würde es kaum aushalten können, dich gehen zu sehen.» Sie senkte den Blick auf unsere Hände, die sich umschlangen. «Ich liebe dich, Finn», sagte sie, als könnte sie es selbst kaum glauben. «Schon lange liebe ich dich. Ich weiß nicht, wie es passiert ist. Aber es ist so.» Sie schaute mich an. «Also jetzt weißt du es.»
    Ich wusste nicht, was mich mehr überraschte, ihr Bekenntnis oder dass sie die Sätze mit «ich» gebildet hatte.
    Wir blieben noch ziemlich lange so sitzen, ihre Hand in meiner, und blickten in die Sterne. Schließlich holte sie tief Luft, setzte sich aufrechter hin, nahm die Schultern zurück, wandte sich mir mit einem tapferen Lächeln zu und sagte: «Okay. Wir werden sehen, was sich machen lässt. Halte dich bereit.»
    Es war, als beugte sich der Himmel herab und umarmte mich. «Danke Rouge. Du bist eine gute Freundin», brachte ich heraus.
    Sie stand auf.
«Baloney, bunk
,
bullshit»
, sagte sie und ging in die Nacht, ohne sich noch einmal umzudrehen.
     
    Es war das letzte Mal, dass ich Rouge sah.
    Am nächsten Morgen schickte sie mir die Nachricht, dass ich meinen Kollegen an der Europäischen Bibliothek Bescheid geben sollte, wo ich die Arbeit an dem letzten Tagebuch abschließen wollte. Sie sagte, ich sollte mich möglichst unauffällig verhalten und auf keinen Fall mit irgendwem über meine Pläne reden. Die Operation könnteklappen oder auch nicht, aber sie müsste unter allen Umständen geheim bleiben.
    Zwei Tage später war ich in Nordamerika. Ich hatte mein Zimmer im Rubik gelassen, wie es war, aber ich hatte die Werkzeugkiste meiner Mutter, Mannus Moon Zoomer, Lulus Teddy, den Slapback-Schläger meines Vaters und das Onyx-Kästchen mit dem Ring wieder nach Fire Island mitgenommen, wo sie hingehörten. Elianas Tagebücher, mein Übungsbuch für Schreibschrift und der große Flakon Everlasting fanden ihren Platz in dem Bücherschrank im Wohnzimmer der Nordstroms. Dieses handschriftliche Buch, der schwarze Füllfederhalter mit den Platinsternchen und eine kleine Abfüllung des Parfüms reisten mit mir zur Forester-Kolonie Sternwood Forest, wo ich hoffte, meine Aufzeichnungen ungestört zu Ende bringen zu können.
     
    Raoul Aaronson bot mir an, im Atelier seiner verstorbenen Frau zu wohnen, einer kleinen Holzhütte hinter seinem Haus. Carmine war vor fast drei Jahren gestorben, doch ihre Papierkunst war noch immer allgegenwärtig: Pop-up-Bücher, Radierungen und Skizzen. Tag für Tag setzte ich mich an ihren Schreibtisch und schrieb dann weiter an diesem Buch mit dem Füllhalter, den Eliana mir vor über 250   Jahren geschenkt hatte. Ich schrieb alles nieder, Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort, Satz für Satz.
    Bevor ich mich abends schlafen legte, öffnete ich das Fläschchen Everlasting, träufelte ein wenig auf das Kopfkissen und atmete Elianas Duft ein, den Duft meiner Sonne, meines
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