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Eve und der letzte Englaender

Eve und der letzte Englaender

Titel: Eve und der letzte Englaender
Autoren: Zaza Morgen
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des Trios.
     
    „ Entschuldigen Sie bitte“, eröffnete ich mein Manöver. „Das ist mein Koffer. Also unser Koffer, um genau zu sein. Ich habe ihn nur kurz hier stehen lassen, um mir und meinem Freund ein Eis zu holen. Es hat etwas länger gedauert. Sie wissen schon, ich konnte mich nicht entscheiden. Aber er wollte mich wohl suchen und hat in der Aufregung den Koffer vergessen mitzunehmen.“ Mit großen, unschuldigen Augen blickte ich in Richtung des Security-Typen, der mich misstrauisch musterte. „Aha, sagen sie emol, is ihr Freund immer so schwer von Begriff?“
    „ Ja, er ist ein bisschen verwirrt, wissen Sie, und manchmal vergisst er auch Dinge.“ Ich neigte mich zum Ohr des Sicherheitsmannes und flüsterte, aber immer noch laut genug, dass die anderen beiden es hören konnten: „ADS, wissen Sie…“
    Der Engländer starrte mich mit offenem Mund an, er begriff offensichtlich nur Bahnhof, „ADS“ allerdings hatte er scheinbar verstanden. Feindselig funkelte er mir aus seinen Grau-Grün-Wasauchimmer-Augen entgegen, entschied sich aber vermutlich aus lauter Verzweiflung doch dafür, mein Spiel mitzuspielen.
     
    „ Dir ist schon bewusst, dass ich das nur mache, weil ich keine Lust habe, von euch verrückten Deutschen zehn Jahre lang festgehalten und watergeboardet zu werden! Wenn ich Glück habe!“, schnaubte der Engländer neben mir. Wir saßen im Sky Express, er hatte den Riesentrolley demonstrativ zwischen uns gekeilt und starrte aus dem Fenster.
    „ Interessant, diese ganzen Flugzeuge, nicht?“
    Diesmal war er es, der mir böse Blicke zuwarf. Die letzte halbe Stunde war aber auch einfach nur großartig gewesen. Nachdem ich dem Security-Typen geflüstert hatte, dass mein Freund ab und an leicht verwirrt sei, ließ er uns unter der Prämisse ziehen, dass ich nicht wie ursprünglich geplant meinen Liebsten in den Flieger setzen und dann wieder mit der Bahn nach Hause fahren würde, sondern ihn im Flieger nach London, wo er lebte, begleiten musste. Schließlich war er ja ganz offensichtlich „etwas derangschiert“, wie Mister Sicherheit sich ausrückte, und ich, der zweite Dussel in diesem Bunde, hatte doch glatt seine Medikamente im heimischen Bad vergessen. So ein Pech aber auch! Das Ende vom Lied war also, dass der Engländer mir unter stetigem Fluchen ein sauteures Ticket für seinen Flieger kaufen musste und wir Arm in Arm samt Koffer und nun unter dem wachsamen Auge der Flughafensicherheit in Richtung Terminal 2 abmarschieren durften.
     
    „ Du könntest ruhig mal etwas mehr Dankbarkeit zeigen“, grinste ich ihm entgegen. „Ohne mich würdest du jetzt immer noch da unten stehen und dein Flieger wäre garantiert schon ohne dich abgeflogen.“
    Der Engländer verschränkte die Arme vor seiner Brust und starrte weiter aus dem Fenster. In der Scheibe konnte ich sehen, dass er plötzlich anfing zu grinsen.
    „ Was?“
    „ Immerhin weiß ich jetzt sicher, wie du heißt, Dear.“
    Er fing an zu lachen. Für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl, er hätte das ganze nur inszeniert, um meinen Namen herauszubekommen. Ich blickte ihn entgeistert an.
    „ Naja, jetzt hast du ja noch den ganzen Flug über Zeit, dir weiterhin an mir die Zähne auszubeißen. Denn: Was ist schon ein Name, hm? Und weißt du was, zur Belohnung darfst du mir dann auch noch den Rückflug bezahlen, ich bin ja schließlich nicht zum Spaß hier.“ Das hatte gesessen. Er grinste nicht mehr, aber immerhin starrte er auch nicht mehr beleidigt aus dem Fenster. Wir schauten uns an, das erste Mal überhaupt ohne jegliche Feindseligkeit.
    „ Ich bin Dom“, er streckte mir wieder die Hand entgegen.
    „ Und ich bin Eve.“ Unsere Hände berührten sich zum zweiten Mal an diesem Tag.
     
    Im Terminal 2 angekommen, hievte Dom seinen Koffer schwer ächzend zum Check-In-Schalter. Man, das Ding hatte schon Rollen, aber der Koffer schien eine halbe Tonne zu wiegen, so dass er ihn mehr ziehen als fahren konnte.
    „ Was zur Hölle hast du da drin?“, fragte ich ihn, und konnte genau in seinen Gesichtszügen ablesen, dass er mit dem Gedanken spielte, laut „'ne Bombe“ zu sagen. Er hatte aber wohl doch noch rechtzeitig kapiert, dass das keine so gute Idee war und grinste mich stattdessen nur wieder mit seinen gefühlt fünfhundert strahlend weißen Beißerchen an.
    „ Das ist mein Geheimnis“, brachte er schließlich doch noch raus, bevor er das Ding mit dem letzten Funken Manneskraft auf das Gepäckband beförderte. Er war
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