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Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Titel: Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war
Autoren: Anna Carey
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fahren?«
    »Ich hab es ihm versprochen«, wiederholte ich so leise, dass ich bezweifelte, ob Caleb es hörte.
    Ich kletterte auf den Fahrersitz und versuchte, mich daran zu erinnern, wie wir an diesen Ort gekommen waren. Ich drehte den Schlüssel so, wie ich es den Soldaten hatte tun sehen. Ich umfasste das Lenkrad, wie es Caleb während all der Kilometer durch die Wüste umfasst hatte. Dann schob ich den Stab in die Mitte und ließ ihn bei D einrasten.
    Ich trat das Pedal und der Jeep machte einen Satz nach vorn, gewann an Geschwindigkeit und bewegte sich immer schneller auf Califia zu.

FÜNFUNDDREISSIG
    Nach ein paar Stunden fuhren wir über eine gewaltige graue Brücke in die zerstörte Stadt San Francisco. Überall waren alte, reich verzierte Häuser, deren farbenfrohe Fassaden mit Efeu und Moos überwachsen waren. Mitten auf der Straße standen verlassene Autos und zwangen uns, auf den breiten Gehweg auszuweichen, wo verstreute Knochen unter den Reifen des Jeeps knackten.
    Caleb hielt die Karte und wies mir den Weg über die steilen Hügel. Bei jeder Wende, jedem Beschleunigungsmanöver gab er seine Anweisungen, bis schließlich die Straße anstieg und neben uns nur noch ein blauer Streifen zu erkennen war.
    »Der Ozean«, sagte ich und hielt an, um ihn zu betrachten.
    Unter uns brachen sich die Wellen und bildeten weiße Schaumkronen. Der Ozean reichte bis zum Horizont, er war ein riesiges Spiegelbild des Himmels. Auf einem Dock schliefen Seelöwen, deren Fell feucht glänzte. Über uns kreiste ein Vogelschwarm und grüßte uns mit krächzenden Schreien. Ihr seid da, schrien sie. Ihr habt es geschafft.
    Caleb streichelte meine Hand. Seine Handfläche war noch immer blutverkrustet. »Seit meiner Kindheit war ich nicht mehr hier. Meine Eltern haben einmal einen Ausflug mit uns hierhergemacht und wir sind Cable Car gefahren. Das ist dieses große Ding aus Holz und ich habe mich an der Seite festgehalten …« Seine Stimme versagte.
    Wir saßen da, Hand in Hand, und betrachteten den Horizont. »Das ist sie«, stellte ich fest und deutete auf die rote Brücke, die ungefähr einen Kilometer vor uns lag und die blaue Weite überspannte. »Die Brücke nach Califia.«
    Caleb sah auf der Karte nach. »Ja, das ist sie«, bestätigte er, doch er lächelte nicht. Sein Gesicht hatte einen seltsamen Ausdruck. Er wirkte traurig. »Egal, was passiert, Eve«, sagte er und drückte meine Hand. »Ich will, dass du weißt –«
    »Was meinst du damit?« Ich sah auf die Wunde an seinem Bein. »Wir sind hier. Von jetzt an wird alles gut – uns wird es gut gehen.« Ich beugte mich näher zu ihm und suchte seinen Blick.
    Als Caleb aufsah, schimmerten seine Augen feucht. »Ja, ich weiß.«
    »Du wirst wieder gesund«, wiederholte ich und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn, auf die Wangen und seinen Handrücken. »Mach dir keine Sorgen – wir sind hier. Sie werden dir helfen.« Er lächelte schwach, dann ließ er sich auf den Sitz zurücksinken.
    Ich trat das Pedal durch und wir hielten erst am Ende des Gehwegs, ab hier war jeder Zentimeter der Straße mit Autos verstellt. Caleb hievte sich langsam aus dem Jeep. Sein Gesicht hatte wieder Farbe, doch sein Gang war ein schmerzhaftes Schlurfen, sein linkes Bein schleifte über den Boden.
    Wir gingen den Hügel hinauf, an verlassenen Häusern und Läden vorbei. Caleb zögerte bei jedem Schritt. Er stützte sich immer stärker auf meine Schulter. Ich zitterte, als mir ein schrecklicher Gedanke durch den Kopf ging: Was, wenn er nicht überlebte? Ich hielt ihn fester, als könne mein Griff ihn enger an die Erde binden, an mich, für alle Ewigkeit.
    Schließlich kamen wir zu der Stelle, wo sich die Brücke in die Klippe bohrte. Auf der Zufahrt hatte sich ein großer Park gebildet, Gras und Büsche und Bäume überwucherten die roten Stahlbögen. Ich löste einige Weinranken von einer Mauer, darunter kam eine Tafel zum Vorschein, die sich im Lauf der Jahre grün gefärbt hatte. GOLDEN GATE BRIDGE, 1937.
    Als wir die Brückenrampe erreichten, fing mein Herz zu rasen an. Die Leitplanken waren stellenweise abgebrochen und hatten die Randbefestigung mitgerissen, nichts trennte uns von dem fast hundert Meter tiefen Abgrund. Wir bahnten uns einen Weg zwischen alten Autos hindurch und traten vorsichtig auf das Unkraut und Moos, das auf der Brücke wuchs.
    In den teilweise verkohlten Autowracks saßen noch immer angeschnallt Skelette auf den Vordersitzen. Aus einem umgekippten Laster quoll die
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