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Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war

Titel: Eve & Caleb - 01 - Wo das Licht war
Autoren: Anna Carey
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behielt den Finger auf dem Abzug und konzentrierte mich wieder auf den Soldaten. In seinem Gesicht sah ich die beiden Männer im Keller. Ihre Stimmen hatten so ruhig geklungen, als sie unter den Möbeln und in den Schränken nach uns gesucht hatten. Ich sah sie, wie sie Marjorie und Otis umbrachten. Ich hörte den Schuss, der Lark niederstreckte, und das gewalttätige Knacken der Zweige, als sie mir durch den Wald hinterhergejagt waren.
    »Ich hab dir gesagt, du sollst dich beeilen«, sagte ich mit kalter Stimme.
    »Es tut mir leid, ich geb mir Mühe«, erwiderte der Soldat. Er trat das Pedal fester und ich wurde in den Sitz gedrückt.
    Caleb stöhnte laut auf. Seine Hände waren voller Blut. Nach einer ganzen Weile sah der Soldat von der Straße auf die Pistole. »Wenn wir anhalten, kann ich ihm helfen.«
    Ich hielt weiter die Pistole auf ihn, denn ich hatte Angst vor dem, was er tun könnte, wenn ich sie wegsteckte. Hinter mir schüttelte Caleb verneinend den Kopf.
    »Du lügst«, erwiderte ich. »Das ist eine Falle. Fahr weiter.« Es konnten höchstens noch neunzig Kilometer bis Califia sein. Sobald wir dort ankamen, würden wir jemanden suchen, der uns helfen konnte. Caleb würde sich dort ausruhen können.
    »Im Handschuhfach ist ein Verbandskasten«, bot der junge Soldat an. Er deutete mit einem Kopfnicken auf eine kleine Plastikklappe vor mir. »Ich kann die Wunde nähen.«
    »Ich trau dir nicht«, gab ich zurück. Doch hinter mir ballte Caleb die Fäuste und versuchte, gegen den Schmerz anzukämpfen.
    »Wenn ich es mache, musst du mich gehen lassen.« Der Blick des Soldaten begegnete meinem, unter dichten schwarzen Wimpern flehten mich seine Augen an.
    Ich sah nach hinten, wo Caleb sich mit zurückgeworfenem Kopf in den Sitz krallte. Sein improvisierter Verband war wirkungslos. Alles Mögliche konnte schieflaufen: die alten Reifen konnten platzen, uns konnte das Benzin ausgehen. Und falls wir noch mehr Soldaten begegneten, würde er seine ganze Kraft brauchen. Calebs Augen schlossen sich und langsam, aber sicher driftete er in tiefen Schlaf.
    »Fahr an die Seite«, befahl ich schließlich. »Und beeil dich.«
    Der Jeep rollte auf den Seitenstreifen und hielt vor einigen Gebäuden. Ein riesiges gebogenes M erhob sich vor uns. Ich stieg aus und lief um den Wagen. Dabei richtete ich die Pistole auf den Soldaten, der in der roten Tasche aus dem Handschuhfach herumkramte. Er nahm eine Nadel heraus und zog einen Faden durch das Öhr.
    Als er den Stoffstreifen um Calebs Bein lockerte, bekamen seine Bewegungen etwas Zielgerichtetes. Seine Hände zitterten nicht mehr. Er stach eine Nadel in die Wunde und spritzte eine durchsichtige Flüssigkeit. Anschließend zog er ein Stück Gaze aus der Tasche. Seit Verlassen der Schule hatte ich nichts so Weißes mehr gesehen. Die Gaze war sogar weißer als die sorgfältig gewaschenen Nachthemden, die wir zum Schlafen getragen hatten.
    Er drückte den Verbandsstoff auf Calebs Haut und tupfte die Wunde ab, aus der nun dunkelrotes Blut quoll. Er reinigte den Schnitt und vernähte ihn mit schwarzem Zwirn, das Blut schien ihm nichts auszumachen.
    Als er fertig war, standen Calebs Augen halb offen. »Danke«, murmelte er.
    Der junge Mann wandte sich an mich, sein Blick suchte meinen. »Kann ich jetzt gehen?« Er sah aus, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen.
    Caleb schüttelte erneut den Kopf. »Er muss uns fahren.«
    »Ich hab es ihm versprochen«, sagte ich zögernd. Ich senkte die Pistole. Hinter uns erstreckten sich kilometerweit goldene Hügel.
    »Das können wir nicht zulassen«, wiederholte Caleb.
    Der Soldat legte bittend die Hände aneinander. »Ich werde sowieso hier draußen sterben«, sagte er. »Was wollt ihr von mir? Ich habe getan, was ich versprochen habe.« Er wirkte so verletzlich mit seinem schmalen Oberkörper und den Beinen, die nur aus Haut und Knochen bestanden. Wahrscheinlich war er nicht älter als fünfzehn.
    Ich deutete mit einem Kopfnicken neben den Jeep, wo die Straße in Sand und Gestrüpp überging. »Geh«, befahl ich. »Jetzt.«
    Ohne zurückzublicken, rannte er los.
    »Das hättest du nicht tun sollen«, bemerkte Caleb. Er musterte die Stiche auf seinem Bein. Er verlagerte das Gewicht und ließ sich in das weiche Polster sinken.
    »Er war bloß ein Junge«, antwortete ich.
    »In der Armee des Königs gibt es keine Jungen.« Calebs Gesicht war von der Sonne gerötet, die den ganzen Tag auf uns niedergebrannt hatte. »Und wer soll jetzt
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