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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge
Autoren: Karin Fossum
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Mann mit dem wohlklingenden Namen (Sejer = Sieg; Anm. d. Übersetzers) war aus solidem Stoff geschnitten. Er war fast neunundvierzig, sein Hemd hatte er aufgekrempelt, und Adern und Sehnen waren deutlich zu sehen unter seiner Haut, die dadurch ein bißchen wie imprägniertes Holz wirkte. Sein Gesicht war scharf gezeichnet und leicht eckig, die Schultern gerade und breit, die gute Farbe überall vermittelte den Eindruck von etwas oft Benutztem, aber Dauerhaftem. Seine Haare waren störrisch und stahlgrau, fast metallisch, und fast kurz. Die Augen waren groß und klar, die Iris hatte die Farbe nassen Schiefers. Das hatte seine Frau Elise vor vielen Jahren einmal gesagt. Er hatte das schön gefunden.
    Karlsen war zehn Jahre jünger und zierlich im Vergleich. Auf den ersten Blick konnte er aussehen wie ein Geck ohne Gewicht oder Bedeutung, er hatte einen gewachsten Schnurrbart und beeindruckend füllige, nach hinten zurückgekämmte Haare. Der jüngste und neueste Kollege, Gøran Soot, bemühte sich gerade, eine Tüte Gummibärchen mit tropischem Fruchtgeschmack ohne zu großes Knistern zu öffnen. Soot hatte dicke, wellige Haare, einen stämmigen Körper mit vielen Muskeln und eine gesunde Hautfarbe. Jeder einzelne Bestandteil seines Körpers für sich genommen war absolut sehenswert, zusammen aber waren sie fast zuviel des Guten. Über diese seltsame Tatsache war er sich selber nicht im Klaren. Neben der Tür saß der Abteilungsleiter, Holthemann, schweigsam und grau, hinter ihm eine Beamtin mit blonden, kurzgeschnittenen Haaren. Am Fenster, einen Arm auf die Fensterbank gestützt, saß Jacob Skarre.
    »Wie geht es denn Frau Einarsson?« fragte Sejer. Er kümmerte sich um die Leute, wußte, daß Einarssons einen kleinen Sohn hatten.
    Karlsen schüttelte den Kopf.
    »Sie sah ein bißchen verwirrt aus. Hat gefragt, ob jetzt endlich die Lebensversicherung ausgezahlt wird, und danach brach sie vor Verzweiflung zusammen, weil sie sofort ans Geld gedacht hatte.«
    »Wieso hat sie denn noch nichts bekommen?«
    »Wir hatten doch keine Leiche.«
    »Das werde ich an der richtigen Stelle mal zur Sprache bringen«, sagte Sejer. »Wovon haben sie im letzten halben Jahr denn gelebt?«
    »Sozialamt.«
    Sejer schüttelte den Kopf und blätterte im Bericht. Soot steckte sich ein grünes Gummibärchen in den Mund, nur die Beine schauten noch heraus.
    »Das Auto«, sagte Sejer, »wurde auf dem Schuttplatz gefunden. Wir haben tagelang im Müll herumgewühlt. In Wirklichkeit ist er also ganz woanders getötet worden, vielleicht am Flußufer. Und dann hat sich der Mörder ins Auto gesetzt und es zum Schuttplatz gefahren. Das ist doch unglaublich, daß Einarsson ein halbes Jahr im Wasser gelegen hat und erst jetzt wieder auftaucht. Der Täter hat ziemlich lange in der Hoffnung gelebt, daß er überhaupt nicht mehr zum Vorschein kommen würde. Na, jetzt muß er sich den Realitäten stellen. Ich nehme
    an, das wird ihn ganz schön fertigmachen.«
    »Hat er irgendwo festgehangen?« fragte Karlsen.
    »Keine Ahnung. Es ist schon ein bißchen merkwürdig, auf dem Flußboden gibt es doch nur Kies, der Fluß ist erst vor kurzem gesäubert worden. Er kann irgendwo am Ufer hängengeblieben sein. Ansonsten hat er wohl den Umständen entsprechend ausgesehen.«
    »Das Auto war frisch gewaschen, und er hatte innen staubgesaugt«, sagte Karlsen. »Das Armaturenbrett war poliert. Wachs und Gummipflege überall. Er war losgefahren, um es zu verkaufen.«
    »Und seine Frau wußte nicht, an wen«, erinnerte sich Sejer.
    »Sie wußte überhaupt nichts, aber das war bei denen wohl immer so.«
    »Und niemand hatte angerufen und nach ihm gefragt?«
    »Nein. Er hat ganz plötzlich erklärt, er habe einen Käufer. Seiner Frau kam das seltsam vor. Er hatte so lange für dieses Auto gespart, hatte monatelang daran herumgebastelt, es betreut wie ein Hundebaby.«
    »Vielleicht brauchte er plötzlich Geld«, sagte Sejer und stand auf und ging hin und her. »Wir müssen diesen Käufer finden. Ich wüßte ja gern, was zwischen den beiden passiert ist. Seiner Frau zufolge hatte er hundert Kronen in der Brieftasche. Wir müssen das Auto noch einmal durchsuchen, ein Mensch hat darin gesessen und ist mehrere Kilometer damit gefahren, ein Mörder. Er muß doch irgendwelche Spuren hinterlassen haben!«
    »Das Auto ist verkauft«, warf Karlsen ein.
    »Hab ich mir’s doch gedacht!«
    »Neun Uhr abends ist ganz schön spät, um ein Auto vorzuführen«, sagte Skarre, ein lockiger
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