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Evas Auge

Evas Auge

Titel: Evas Auge
Autoren: Karin Fossum
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und einem mit dreiunddreißig Stichen.«
    »Aber sie haben sich gekannt, sind wir uns da einig?«
    »Was heißt schon gekannt? Sie standen sicher in irgendeiner Beziehung zueinander.« Sejer setzte sich und legte das Lineal in die Schublade.
    »Na, dann müssen wir wieder von vorne anfangen. Wir müssen feststellen, wer den Wagen kaufen wollte. Geht nach der Liste vom Oktober vor und fangt oben an. Es kann einer von seinen Kollegen gewesen sein.«
    »Dieselben Leute?«
    Soot sah Sejer fragend an. »Sollen wir nochmal dieselben Fragen stellen?«
    »Wie meinst du das?«
    Sejer hob die Augenbrauen.
    »Ich meine, es geht doch wohl darum, neue Leute zu finden. Die anderen geben doch bestimmt dieselben Antworten wie beim letzten Mal. Ich meine, im Grunde hat sich doch nichts geändert.«
    »Ach, meinst du nicht? Vielleicht hast du nicht so genau zugehört, aber wir haben den Burschen inzwischen gefunden. Abgestochen wie ein Mastschwein. Und du sagst, es habe sich nichts geändert?«
    Er gab sich alle Mühe, nicht arrogant zu klingen.
    »Ich meine, deshalb bekommen wir doch keine anderen Antworten?«
    »Das«, sagte Sejer und schluckte einen Kloß von der Größe einer Melone hinunter, »das wird sich noch zeigen, nicht wahr?«
    Karlsen klappte mit leisem Knall den Ordner zusammen.
    ---
    S ejer schob Einarssons Ordner wieder in den Aktenschrank. Er schob ihn neben den Fall Durban und dachte, daß die beiden sich nun Gesellschaft leisten könnten. Maja Durban und Egil Einarsson. Beide waren tot, und niemand wußte, warum. Dann ließ er sich im Sessel zurücksinken, legte die langen Beine quer über den Schreibtisch und zog seine Brieftasche aus der Hosentasche. Zwischen Führerschein und Fallschirmspringerlizenz hatte er ein Bild seines Enkels, Matteus. Matteus war gerade vier geworden, kannte die meisten Automarken und hatte schon die erste Prügelei hinter sich und schmerzlich verloren. Es war schon eine Überraschung gewesen, damals, als Sejer zum Flugplatz gefahren war, um seine Tochter Ingrid und seinen Schwiegersohn Erik abzuholen, die drei Jahre in Somalia verbracht hatten. Sie als Krankenschwester, er als Arzt beim Roten Kreuz. Ingrid stand oben auf der Flugzeugtreppe, mit gebleichten Haaren und überall goldbraun. Eine wilde Sekunde lang hatte er geglaubt, Elise zu sehen, damals, als sie einander kennengelernt hatten. Auf dem Arm hatte Ingrid den Kleinen. Er war vier Monate alt, schokoladenbraun, hatte kleine Locken und die schwärzesten Augen, die Sejer je gesehen hatte. Die Somalier sind eigentlich ein schönes Volk, überlegte er. Und er betrachte eine Zeitlang das Bild, dann steckte er es wieder in die Brieftasche. In der Baracke war es jetzt still, wie auch fast überall im benachbarten großen Block. Sejer schob zwei Finger in seinen Hemdsärmel und kratzte sich am Ellbogen. Die Haut blätterte ab. Darunter befand sich neue rosa Haut, die ebenfalls abblätterte. Sejer riß die Jacke von der Stuhllehne und schloß das Zimmer ab, dann schaute er ganz kurz an der Rezeption bei Frau Brenningen vorbei. Die legte sofort ihr Buch beiseite. Sie war gerade bei einer vielversprechenden Liebesszene angekommen, die sie sich für abends im Bett aufsparen wollte. Sie wechselten ein paar Worte, dann nickte er kurz und machte sich auf den Weg in die Rosenkrantzgate zu Egil Einarssons Witwe.
    ---
    Z uerst warf er einen raschen Blick in den Spiegel und fuhr sich mit den Fingern durch den kurzgeschnittenen Schopf. Weil die Haare so kurz waren, bewegten sie sich dabei nicht. Es war mehr ein Ritual als ein Zeichen der Eitelkeit.
    Sejer nahm jede Gelegenheit wahr, sein Büro zu verlassen. Er fuhr ziemlich langsam durch die Innenstadt, er fuhr immer langsam, sein Auto war alt und träge, ein großer blauer Peugeot 604, der bisher keinen Grund zu einem Autowechsel geboten hatte. Im Winter hatte er das Gefühl, Schlitten zu fahren. Bald lagen zu seiner Rechten die farbenfrohen Vierparteienhäuser, rosa, gelb und grün, jetzt schien die Sonne auf sie und ließ sie einladend autleuchten. Außerdem stammten sie aus den fünfziger Jahren und verfügten über eine gewisse Patina, die neueren Häusern fehlte. Die Bäume waren ziemlich groß, die Gärten üppig, oder würden es sein, wenn es erst warm wäre. Aber es war noch immer kalt, der Frühling ließ auf sich warten. Es war lange trocken gewesen, und am Straßenrand lagen noch immer einzelne schmutzige Schneehaufen wie Abfall herum. Sejer suchte nach Nummer 16 und erkannte das grüne,
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