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Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman

Titel: Eure Kraft und meine Herrlichkeit - Roman
Autoren: Constanze Petery
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sind noch ein paar Traumfetzen hängen geblieben, nicht mehr traumlogisch, nicht mehr ganz natürlich in ihrer Verbindung, sondern wirr und beängstigend. Will ich aber nicht trotzdem wieder zurück? Vielleicht noch etwas die Kontrolle abgeben an das Unterbewusste, sich einfach führen lassen und über die abstrusen Konstellationen der Erinnerungen lächeln. Eine Feder sticht mit ihrem Kiel
durch das Kopfkissen in meinen Hinterkopf. Nachdem ich sie herausgezogen habe – der Stoff leistet erbitterten Widerstand, gibt kaum nach, will seine Füllung behalten –, lege ich sie mir auf den Bauch. Ich schiebe mein T-Shirt hoch. Hatte ich das nicht gestern schon an? Die Jeans habe ich ausgezogen, sie hängt über einem der Bettpfosten. Ein Bein ist umgestülpt. Die feinen Verzweigungen der Feder bilden eine seidene Wölbung, die sich in die meines Bauches schmiegt. Ich nehme die Feder zwischen Daumen und Zeigefinger und löse mit der anderen Hand die kleinen Ösen, die die einzelnen Äste zusammenhalten. Jetzt ist sie nicht mehr schön, so zerzaust. Armes Vogelfederchen. Alles ist sehr klar und hell heute Morgen. Ich habe wieder mehr getrunken als geplant. Pech, wenn man denkt: Wenn ich soundso viel Geld mitnehme, kann ich mir auch nur soundso viel leisten und werde nur soundso viel trinken. Bevor ich weggehe, nehme ich mir etwa einen Fünfziger aus der Geldschatulle meiner Mutter, ich weiß, davon kann ich mir den Eintritt für drei Clubs, davor Cocktails in einer Bar, genügend Alkohol in der Nacht und Shots am Morgen leisten. Davon bin ich betrunken. Aber ich kann mich noch an alles erinnern am nächsten Morgen, und die Reue ist erträglich. Doch es gibt eben immer Dienerinnen wie die Kleine gestern, die einem einen Strich durch die Rechnung machen und auf ihre Kosten meinen Kater fördern. Nun ja, ihr wird es heute nicht viel bessergehen. Mein Atem gegen den Oberarm neben mir riecht schlecht. Ebenso mein Schweiß. In meinem Zimmer wabert Kneipengestank, der Geruch einer dieser Kreaturen auf Parkbänken, um die man einen weiten Bogen machen will. Mein Bett ist plötzlich widerwärtig. Ich muss ein Fenster kippen, nein, ganz aufreißen und mit tiefen Lungenzügen den von frühen Autos hochgewirbelten Straßenstaub einatmen. Es
ist wohl doch nicht so früh, unten ein eher mittäglicher Autobrei. Dann ist es sowieso zu spät, um noch in die Schule zu gehen. Meine Mutter hat mich entweder aus »Verständnis für meine Situation« nicht aufgeweckt, oder sie hat nicht einmal gemerkt, dass ich inmitten von Schnapsdunst und halb angezogen in meinem Bett liege. Vielleicht ist sie zu früh zur Arbeit gefahren, um Verdacht zu schöpfen. Sollten wir später zufälligerweise gleichzeitig zu Hause sein, werde ich ja sehen, in welcher Verfassung sie ist und ob sie reden will. Beinahe habe sogar ich Lust zu reden, »von Frau zu Frau«, jede mit einem Becher Kakao auf den Knien und eine Riesentafel Schokolade zwischen uns. Aber dafür wird sie wohl kaum Zeit haben.
    Und ich auch nicht. Kinder, bei mir sind nur die Vormittage lang. Wie ihr wisst. Die sind dafür aber leer wie ein blauer Himmel. Den schaue ich mir dann meistens an, auf dem Rücken auf dem Boden in meinem Zimmer liegend, und ich blase weißen Rauch aus dem Fenster, um den Himmel etwas zu füllen, diese unendliche Weite, die uns mit ihren Neutronen und Tausenden Stadttauben beschießt, so scheinbar harmlos, und doch geht von ihr ein so großer Sog aus, dass ich manchmal Höhenangst bekomme vom In-den-Himmel-Schauen. Der Rauch füllt auch mich, meinen gesamten Brustkorb, das Nikotin fließt dickflüssig durch meine Adern in alle meine Gliedmaßen, ein konstanter schwarzer Strom, der mein Herz verstopft. Liebe Sünde, ich beiß doch in keinen Apfel, wenn ich rauchen und im Paradies bleiben kann. Ich sollte mir mal Hasch kaufen. Der macht noch langsamer, färbt die Welt in Pastelltöne und dämpft den Lärm der eigenen Monologe. Wo könnte ich mir ein paar Gramm kaufen? In der Schule wüsste ich schon, welche Typen Kontakte haben könnten, man sieht deren Pupillen in den rot
geränderten Augen schon vom anderen Ende des Flurs. Aber in den letzten Tagen habe ich wirklich nicht ein einziges Mal Lust verspürt, in die Schule zu gehen. Die »Dealer« im Park sind hauptsächlich Polizeispitzel, das weiß jedes Kind. Also erst mal nur die guten alten Zigaretten. Es wäre aber so herrlich gewesen zu sehen, wie meine Mutter reagiert hätte, wenn sie ein kleines Plastiktütchen Gras
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