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Etwas Endet, Etwas Beginnt

Etwas Endet, Etwas Beginnt

Titel: Etwas Endet, Etwas Beginnt
Autoren: Andrzej Sapkowski
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und auf dem Rücken das Schwert, den berühmten Gveir, errungen in den Katakomben der Wüste Korath.
    Einen Moment lang blickten sie einander schweigend an, worauf das Mädchen die Stute mit einem Fersendruck vorantrieb, näher heranritt. Kelpie neigte den Kopf, weil sie den Hexer mit den Zähnen erreichen wollte, doch Ciri riss sie mit einem scharfen Ruck an den Zügeln zurück.
    »Heute ist es also«, sagte die Hexerin, ohne abzusitzen. »Heute, Geralt.«
    »Heute«, bestätigte er, gegen die Mauer gelehnt.
    »Ich freue mich«, sagte sie unsicher. »Ich denke   … Nein, ich bin mir sicher, dass ihr glücklich werdet, und ich freue mich   …«
    »Sitz ab, Ciri. Lass uns miteinander reden.«
    Das Mädchen schüttelte den Kopf, warf die Haare nach hinten zurück, hinters Ohr. Für einen Augenblick sah Geralt die ausgedehnte, hässliche Narbe auf ihrer Wange   – eine Erinnerung an jene schrecklichen Tage. Ciri hatte sich die Haare bis zu den Schultern wachsen lassen und frisierte sie so, dass sie die Narbe verdeckten; doch oft vergaß sie es.
    »Ich reite fort, Geralt«, sagte sie. »Gleich nach der Feier.«
    »Sitz ab, Ciri.«
    Die Hexerin sprang aus dem Sattel, setzte sich neben Geralt. Er legte den Arm um sie. Ciri schmiegte den Kopf an seine Schulter.
    »Ich reite fort«, wiederholte sie.
    Er schwieg. Worte drängten sich ihm auf die Lippen, doch unter diesen Worten war keines, das er für das richtige halten konnte. Für das notwendige. Er schwieg.
    »Ich weiß, was du denkst«, sagte sie langsam. »Du denkst, dass ich fliehe. Du hast recht.«
    Er schwieg. Er wusste es.
    »Endlich, nach so vielen Jahren, habt ihr einander. Yen und du. Ihr habt Glück verdient, Ruhe. Ein Haus. Mir aber macht das Angst, Geralt. Darum   … fliehe ich.«
    Er schwieg. Er dachte daran, wie oft er selbst geflohen war.
    »Ich werde gleich nach der Feier aufbrechen«, wiederholte Ciri. »Ich will wieder die Sterne über der Landstraße sehen, will mitten in der Nacht eine Ballade Rittersporns pfeifen. Und ich will den Kampf, den Tanz mitdem Schwert, ich will das Risiko, die Lust, die der Sieg verleiht. Und ich will Einsamkeit. Verstehst du mich?«
    »Natürlich verstehe ich, Ciri. Du bist meine Tochter, du bist Hexerin. Du wirst tun, was du tun musst. Aber eins muss ich dir noch sagen. Eins. Du wirst fliehen, doch du wirst nicht entfliehen können.«
    »Ich weiß.« Sie schmiegte sich enger an ihn. »Ich habe immer noch die Hoffnung, dass irgendwann   … Wenn ich warte, wenn ich Geduld habe, dass dann auch für mich irgendwann so ein schöner Tag kommt   … Obwohl   …«
    »Was, Ciri?«
    »Ich bin niemals hübsch gewesen. Und mit dieser Narbe   …«
    »Ciri«, unterbrach er sie. »Du bist das schönste Mädchen auf der Welt. Gleich nach Yen, versteht sich.«
    »Och, Geralt   …«
    »Wenn du mir nicht glaubst, frag Rittersporn.«
    »Och, Geralt.«
    »Wohin   …«
    »In den Süden«, unterbrach sie ihn sofort und wandte das Gesicht ab. »Das Land raucht noch nach dem Krieg, man muss wiederaufbauen, die Menschen kämpfen ums Überleben. Sie brauchen Schutz und Verteidigung. Da kann ich mich nützlich machen. Und dann ist da noch die Wüste Korath   … Da ist noch Nilfgaard. Dort habe ich Rechnungen offen. Wir haben dort Rechnungen zu begleichen, Gveir und ich   …«
    Sie verstummte, ihr Gesicht wurde hart, Tränen traten in die grünen Augen, der Mund verzog sich zu einer Grimasse. Ich erinnere mich, dachte Geralt, ich erinnere mich. Ja, das war damals, auf der vom Blut glitschigen Treppe im Schloss Rhys-Rhun, als sie Seite an Seite gekämpft hatten, er und sie, der Wolf und die Katze, zwei Maschinen zum Töten, unmenschlich schnell und unmenschlichgrausam, weil man sie zum Äußersten getrieben hatte, in Wut versetzt, an die Wand gedrückt. Ja, damals waren die Nilfgaarder zurückgewichen, von Grauen erfüllt, vor dem Blitzen und Pfeifen ihrer Klingen zurückgewichen, sie aber waren langsam hinabgegangen, hinab auf der Treppe im Schloss Rhys-Rhun, die nass war vom Blut. Sie waren gegangen, aufeinander gestützt, vereint, und vor ihnen war der Tod gegangen, der Tod in zwei funkelnden Schwertschneiden. Der kalte, ruhige Wolf und die rasende Katze. Das Blitzen der Klinge, Schreie, Blut, Tod   … Das war damals gewesen   … Damals   …
    Ciri warf abermals die Haare zurück, und zwischen dem Aschblond glänzte eine breite schneeweiße Strähne an der Schläfe auf.
    »Ich habe dort meine Rechnungen«, zischte sie.
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