Esel

ihren Esel. »Ich interessiere mich für Friedhelm.«
    Die Blicke des Wirtes entgleisen.
    »Den Esel Ihrer Tochter«, füge ich schnell hinzu, um sämtlichen Fehlinterpretationen vorzubeugen.
    »Das stimmt, Papa. Er will Friedhelm kaufen.«
    »Warum das denn, was wollen Sie denn mit einem Esel?«
    »Genau diese Frage würde ich gerne mit ihm jetzt klären, ja?« Bärbels zielgerichtetes Lächeln bringt ihren Papa dazu, uns mit dieser Kernfrage und zwei Tellern Soljanka wieder allein zu lassen.
    »Ja, also, was genau wollen Sie mit Friedhelm?«
    Die Frage ist einfach, die Antwort noch viel einfacher. »Glücklich werden, endlich!«
    Bärbel scheint zu verstehen, was ich sagen will. Sie stellt keine weiteren Fragen mehr.
    Nur ich habe noch eine Frage, eine letzte: »Darf ich Sie noch um einen Gefallen bitten?«

43. Am Ende – Karin und ich
    »Du hast was?«
    Karins Stimme klingt, als hätte ich ihr gerade gestanden, die Unterschrift zu einer Geschlechtsumwandlung geleistet zu haben.
    »Ich habe Friedhelm gekauft, gerade eben. Für 390 Euro.«
    »Das ist nicht dein Ernst.«
    »Doch, das ist mein voller Ernst. Und ich habe noch was gekauft. Ich habe zwei braune Freischwinger-Sessel ersteigert. Der Verkäufer kommt aus Soest, hat einen Mörderpreis dafür verlangt.«
    »Die braunen Freischwinger?«
    »Ja, und noch was … ich habe auch noch zwei Drucke von Miró und Matisse ersteigert mit Rahmen. Die waren ein echtes Schnäppchen.«
    »Björn, alles in Ordnung?«
    »Ach, Karin, alles ist so was von in Ordnung.«
    »Möchtest du … nach Hause kommen?«
    Karin fragt mich das wirklich. Aber ich freue mich nicht darüber, ich wundere mich noch nicht einmal. Vor ein paar Tagen noch wäre ich ausgerastet vor Glück. Nach Hause? Ich hätte geschrien! Doch jetzt ist alles anders, aber das weiß Karin nicht.
    »Nein, ich möchte nicht nach Hause kommen.«
    »Wir … könnten noch nach Lucca fahren.«
    »Wir?«
    »Du und ich. Björn, ich wollte doch nur, dass du …«
    »Karin. Wir fahren nicht nach Lucca.«
    »Wir könnten auch noch woanders hinfahren. Soll ich mal ins Netz gehen und recherchieren? Last Minute, Griechenland ist jetzt total günstig – oder Mauritius?«
    Durch eine Telefonleitung lässt sich nicht jede emotionale Nuance der Stimme exakt erkennen, aber dass Karin leicht flattert, ist nicht zu überhören. Mauritius? Das war für uns nie ein Thema. Griechenland schon, aber das habe ich zu verhindern gewusst. Sie flattert. Aber ich will sie nicht nervös machen, denn dazu besteht kein Grund.
    »Karin?«
    »Ja.«
    »Du musst nichts recherchieren. Ich weiß, wo wir unseren Urlaub machen.«
    »Hey.«
    Ist sie wirklich erleichtert, oder spielt sie die Erleichterte. Ich glaube, sie freut sich über das WIR in meinem letzten Satz.
    »Ich hole dich am Bahnhof in Prenzlau ab, dann fahren wir hier nach Flieth-Stegelitz.«
    »Björn?«
    »Morgen kommt Inge zurück, die bekommst du dann, wird aber nicht einfach. Friedhelm beißt Inge immer, aber das kriegen wir auch noch hin.«
    »Inge?«
    »Sabines Esel.«
    »Sabi–«
    »Ich habe auch schon eine neue Strecke im Kopf. Wir marschieren die Ostroute, die soll wunderschön sein. Das Wetter dürfte zwar in den nächsten Tagen ein bisschen durchwachsen sein, aber was soll’s. Wetter ist, was man daraus macht. Wäre nur gut, wenn du dir schnell noch so eine Funktionshose holst. Die sind schon praktisch, die trocknen ja in null Komma nix.«
    »Björn, das ist nicht dein Ernst. Wir … du meinst, wir beide sollen durch die Uckermark wandern, mit zwei Eseln?«
    »Ja. Und ich finde, es wird verdammt nochmal allerhöchste Zeit.«
     
    Ende

Über Michael Gantenberg
    Michael Gantenberg (geboren 1961) war WDR-Radiomoderator, Gastgeber des Satiremagazins ›Extra 3‹ und schrieb u. a. für DIE
     ZEIT und die FAZ. Für die RTL-Komödie ›Ritas Welt‹ erhielt er den Grimme-Preis und den Deutschen Fernsehpreis. Er entwickelte
     ›Alles Atze‹ und ›Nikola‹ und schrieb als TV-Autor für den ›Großen Deutschtest‹ (mit Hape Kerkeling) und die Krimireihe ›Unter
     Verdacht‹. Im Jahr 2009 erschien sein Romandebüt ›Neuerscheinung‹, danach schrieb er ›Zwischen allen Wolken‹ und ›Urlaub mit
     Esel‹. Michael Gantenberg lebt mit seiner Familie in der Nähe des Sauerlandes. Mehr zum Autor unter www.michaelgantenberg.de

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