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Es wird Dich rufen (German Edition)

Es wird Dich rufen (German Edition)

Titel: Es wird Dich rufen (German Edition)
Autoren: Simon Cross
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dieser das Verlagsgebäude des »Komet« in der Gießener Straße betrat.
    »Da ist ein Brief für Sie gekommen.«
    Der Portier streckte ihm einen weißen Umschlag entgegen, den Mike an sich nahm.
    »Danke!«
    Ein flüchtiger Blick auf den Absender verriet ihm, dass er von Nadine war, seiner Ex-Freundin.
    Seit sie sich vor wenigen Tagen vollkommen überraschend und ohne jede Vorwarnung von ihm getrennt hatte, verkehrten sie nur noch schriftlich miteinander. Was sie ihm mitzuteilen hatte, schickte sie dem angesehen Frankfurter Journalisten aber nicht an seine Privatadresse, sondern direkt in sein Büro.
    Mike steckte den Umschlag kommentarlos in die Innentasche seines grauen Jacketts. Einen schwarzen Aktenkoffer in der rechten Hand ging er an der kleinen Sitzecke für wartende Besucher vorbei in Richtung Fahrstuhl, der sich am anderen Ende des großräumigen Foyers befand.
    Mike Dornbach zählte zu den begehrtesten Journalisten der Frankfurter Presselandschaft. Er galt gemeinhin als unverbraucht, flexibel und somit auch als ein wahrer Glücksfall für den »Komet« – trotz seiner noch jungen 35 Jahre. Er besaß eine ungeheure Detailkenntnis in vielen Bereichen sowie einen flotten Schreibstil, der bei den Lesern des Blattes wie auch bei seinen Geschäfts- und Gesprächspartnern gleichermaßen gut ankam.
    Dies waren wesentliche Gründe für Mikes Vorgesetzte gewesen, seine berufliche Karriere von Beginn an nahezu kompromisslos zu fördern, schließlich zählte der »Komet« zu den wenigen großen Tageszeitungen Deutschlands und bedurfte eines herausragenden Personals.
    Dabei hatte Mike vor einigen Jahren nur durch einen Zufall dort eine Ausbildung zum Redakteur erhalten. Während seines Studiums war Walter Stein, bereits damals Chefredakteur des »Komet«, Gastdozent einer seiner vielen Vorlesungen gewesen. Er hatte damals über die Aufgaben des Journalismus als vierte und kontrollierende Macht im Staat gesprochen.
    Die Schilderungen des Chefredakteurs hatten Mike derart begeistert, dass er beschloss, selbst Journalist zu werden. Das Schicksal hatte es gefügt, dass Stein nicht nur sein späterer Chef, sondern im Laufe der Jahre auch zu einem väterlichen Freund geworden war.
    Mike seufzte, während er auf den Fahrstuhl wartete. Mit seinen Gedanken war er noch immer bei seiner gescheiterten Beziehung zu Nadine. Er konnte einfach nicht begreifen, weshalb sie ihn so plötzlich und unerwartet verlassen hatte.
    Vor wenigen Tagen war er abends nach Hause gekommen, wo sie, wie immer, bereits auf ihn gewartet hatte. Doch dieses Mal nicht, um ihn herzlich in die Arme zu schließen.
    Mike hatte sie im Flur angetroffen – auf einem ihrer Koffer sitzend, die bereits gepackt waren. Er stand vollkommen sprachlos vor ihr.
    In wenigen kurzen Sätzen hatte Nadine ihm erklärt, dass zwischen ihnen beiden der Funke der Liebe für immer erloschen sei und sie ihn deshalb verlassen werde. Lange Verabschiedungsszenen seien nichts für sie. Dann war sie mit einem leisen »Machs gut«, ohne jede weitere Erklärung, gegangen.
    Ob ein anderer Mann hinter all dem steckte? Mike wusste es nicht. Und möglicherweise war das auch besser so.
    Der schrille Signalton des Fahrstuhls riss ihn aus seinen Gedanken. Mike betrat die spiegelverglaste Kabine und drückte auf die Taste zum fünften Stockwerk, wo sich sein Büro am Ende eines mehrere Meter langen Ganges befand.
    Die morgendliche Sonne blinzelte vorsichtig in den Raum, der südseitig lag. In seiner Mitte erstreckte sich ein dunkelblauer Teppich, auf dem ein Schreibtisch aus massivem Eichenholz stand.
    Wie immer hatte Mike ihn am Vorabend ordentlich aufgeräumt hinterlassen. Angesichts der Papierberge, die sich auf den Tischen der Kollegen türmten, war das zwar eher eine seltene Erscheinung auf dieser Etage, doch Mike legte großen Wert darauf. Es war vielleicht ein Relikt aus seinen Kindertagen.
    Er platzierte seinen Aktenkoffer vor sich auf den Tisch. Den Brief legte er neben die Schreibtischlampe.
    Im Gegensatz zu seinen Kollegen, die die Ansicht vertraten, dass das wahre Leben eines Reporters erst gegen Abend begänne, liebte Mike die Stille des Morgens, wenn von der allgemeinen Redaktionshektik, die gegen Nachmittag auszubrechen pflegte, noch nichts zu spüren war. In diesen ruhigen Momenten des Morgens studierte er normalerweise in verschiedenen Tageszeitungen die Leitartikel und Kommentare, um sich einen Überblick über die Arbeit der Konkurrenz zu verschaffen. Doch seit jenem Tag, an
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