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Es wird Dich rufen (German Edition)

Es wird Dich rufen (German Edition)

Titel: Es wird Dich rufen (German Edition)
Autoren: Simon Cross
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auszubreiten.
    Zielsicher schlug er eine der Politik-Seiten auf und deutete mit seinem rechten Zeigefinger auf einen der Artikel, während er seinen Stellvertreter gleichzeitig scharf anblickte.
    »Was, um Himmels willen, hast du dir dabei gedacht, Mike?«
    Die Stimme des Chefredakteurs klang streng, aber seine Miene verriet, dass er sich, abgesehen von seiner Wut, auch große Sorgen zu machen schien. Mike hatte jedoch noch immer nicht den blassesten Schimmer, was seinen Freund so sehr aus der Fassung gebracht hatte.
    »Wie kannst du nur solch einen Schwachsinn schreiben?«, fragte Stein nun deutlicher. »Das ist doch tödlich!«
    »Ich weiß nicht, was du willst«, zuckte Mike hilflos mit den Schultern. Er konnte sich den seltsamen Auftritt partout nicht erklären. Der einzige Artikel, den er zu der heutigen Ausgabe beigesteuert hatte, war ein Bericht über einen ersten Nachtragshaushalt der Stadt. Ein Kinderspiel.
    »Bei allem Verständnis! Was du da verfasst hast, kommt einem beruflichen Selbstmord gleich!«
    »Was ist denn nicht in Ordnung damit?«, fragte Mike verunsichert. »Mein Gott, Mike! Bist du noch ganz bei Trost?« Stein blickte ihn entsetzt an. »Die Frage kannst du doch nicht ernst meinen!«
    Mike verstand noch immer nicht, was sein Chef von ihm wollte.
    »Entschuldige, Walter – aber sag mir doch einfach, was ich verbrochen habe. Ich habe die Zahlen wie üblich dreimal überprüft. Es ist völlig unmöglich, dass da ein Fehler …«
    »Zahlen?«, rief Stein erbost aus. »Was für Zahlen? Hier geht’s um keine Zahlen, Mike. Hier geht’s um einen handfesten Skandal!«
    »Ich verstehe nicht …«, sagte Mike, der nach dem tieferen Sinn in Steins barschen Worten suchte.
    Der Chefredakteur sah ihn unverändert ratlos an.
    »Da bist du nicht der Einzige. Ich verstehe es ebenso wenig.«
    Mit einem tiefen Seufzer ließ er sich in Mikes Lederstuhl fallen, der unter dem Gewicht des Chefredakteurs zusammenzubrechen drohte, und schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß nicht, wie ich dich da wieder rausboxen soll.«
    Der anfängliche Ärger in seiner Stimme wich nun mehr und mehr der Verzweiflung eines guten Freundes, der zusehen musste, wie sein engster Mitarbeiter auf einem Stück Holz treibend einem Wasserfall entgegensteuerte – ohne jede realistische Chance, den Hilflosen noch zu retten.
    »Ganz ehrlich, Mike: Diese Sache könnte das unwiderrufliche Ende deiner Karriere sein.«
    Auf der Suche nach einer vernünftigen Erklärung für die schleierhaften Vorhaltungen Steins griff Mike nun selbst nach der Zeitung, um sich vom vermeintlichen Objekt der Tragödie zu überzeugen, das es seiner Meinung nach doch gar nicht geben konnte. Wahrscheinlich hatte Stein nur etwas falsch verstanden und die ganze Unannehmlichkeit würde sich schon in wenigen Sekunden in Luft auflösen.
    Stein hatte tatsächlich eine der Politik-Seiten aufgeschlagen, die Mike gestern Abend als verantwortlicher Chef vom Dienst zum Druck freigegeben hatte. Allerdings war die Aufmachung nun geringfügig verändert. Das wunderte Mike. Er hatte dafür keine Erklärung.
    Stein beobachtete unberührt, wie das Gesicht des Polit-Journalisten bei länger andauernder Lektüre der aufgeschlagenen Seite immer blasser wurde und wie seine Hände allmählich zu zittern begannen.
    »Ich glaube das nicht«, stammelte Mike. »Das kann nicht wahr sein!« Da war zwar ein Artikel unter seinem Namen abgedruckt worden, aber eines wusste Mike ganz genau: Diese Worte stammten definitiv nicht aus seiner Feder! Das alles konnte nur ein einziger Albtraum sein.
    Ungläubig las er die Schlagzeile vor: »Spendensumpf im Rotlichtmilieu – Ein Bericht von Mike Dornbach«, stand da in großen Lettern.
    Wer auch immer den Artikel unter seinem Namen verfasst hatte, er erweckte darin den Anschein, dass ein Beamter der hessischen Landesregierung, mit dem Wissen und der Duldung des Ministerpräsidenten, in eine Schmiergeldaffäre verwickelt war.
    Über ein Jahr hinweg habe jener Beamte Millionen aus dem allgemeinen Finanzhaushalt abgezweigt und für unlautere Subventionen im Rotlichtviertel zweckentfremdet. Als Gegenleistung habe nicht nur die versammelte Regierungsmannschaft die Möglichkeit erhalten, ein Bordell kostenlos zu nutzen; die Regierung selbst, so der Schreiber des Berichtes, habe die Gelegenheit genutzt, in diesem Bezirk in großem Ausmaß und gedeckt durch die Frankfurter Ermittlungsbehörden, Drogengeschäfte abzuwickeln, um somit, als Zinseinnahmen getarnt, die eigenen
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