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Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben

Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben

Titel: Es war einmal in New York / Nie wieder sollst du lieben
Autoren: Brenda Joyce
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marmornen Kaminsims im Salon gleich neben dem Empfangszimmer stand. Es war bereits halb neun, aber sie wusste auch so, dass sie zu spät war. Um zum Speisesalon zu gelangen, musste man erst ein Stück weit durch den Flur gehen, doch die Gesprächsfetzen, die ohne Zweifel von den Unterhaltungen der Gäste dieser Dinnerparty rührten, drangen bereits bis nach vorne. Dazu vernahm sie das leise Klirren der kristallenen Gläser, mit denen angestoßen wurde, und das Geräusch, das entstand, wenn Besteck auf Porzellan traf. Der erste Gang war offensichtlich bereits serviert.
    Francesca legte Hut und Handschuhe ab. Ihr Kopf dröhnte, und die neuen Schuhe aus weißem Ziegenleder drückten. Ihre Füße taten ihr weh, und sie musste an Gwen O’Neil und Margaret Cooper denken. Dass sie für ihr Versäumnis teuer würde bezahlen müssen, stand außer Frage, daher blieb sie bei ihrem Entschluss, den sie auf dem Heimweg getroffen hatte: Sie würde auf ihr Zimmer schleichen und die Dinnerparty ganz meiden. Wie sollte sie ihre Verspätung auch erklären? Ihre Eltern begegneten ihrer Arbeit als Kriminalistin ohnehin mit Ablehnung. Sie hielten sie mit ihren zwanzig Jahren für zu jung für eine derart aufreibende Tätigkeit. Francesca war sich allerdings sicher, sie könnte auch dreißig, verheiratet und mehrfache Mutter sein, und trotzdem würde Julia ihren eigenen guten Ruf als gefährdet betrachten, solange ihre Tochter sich mit Kriminalfällen beschäftigte. Wiederholt hatte sie ihrer Mutter versprochen, den Job bald an den Nagel zu hängen, doch es war immer nur bei diesen Ankündigungen geblieben. Es missfiel ihr, Julia Lügen aufzutischen, aber sie wusste, sie hatte ihre Berufung gefunden. Sie war eine hervorragende Kriminalistin, was durch ihre Erfolgsquote bei derAufklärung ihrer Fälle eindeutig belegt wurde.
    Francesca lächelte dem Butler zu, dann durchquerte sie das lang gestreckte Empfangszimmer. Nach seiner Fertigstellung vor gut acht Jahren war das Haus der Cahills von der Presse auf den Namen „Marble Mansion“ getauft worden. Ihr Vater war auf einer Farm in Illinois aufgewachsen und hatte dann den Beruf des Metzgers erlernt, um in der Folgezeit den größten Fleischverarbeitungsbetrieb des Landes aufzubauen. Francesca war in Chicago zur Welt gekommen, doch sie wuchs in New York auf, da die Familie umzog, als sie noch klein war. Für die Presse war es einer Sensation gleichgekommen, in das Heim der Cahills gelassen zu werden. Bereits als Sechsjährige las Francesca jeden Tag die Zeitung und erfuhr so, dass ihre Eltern Andrew und Julia Cahill längst den Astors und den Melons den Rang abgelaufen hatten.
    Der Raum, den sie nun zu durchqueren beabsichtigte, war fast vollständig mit Marmor ausgekleidet – schwarze und weiße Bodenplatten, helle korinthische Säulen, mit Verzierungen versehene Wandverkleidungen. Die Mahagonitüren, die zum Speisesalon führten, standen offen. Unwillkürlich hob Francesca eine Hand, um einige blonde Strähnen zurückzustreichen, die sich gelöst hatten. Von dem wenigen Rouge, das sie auf Wangen und Lippen aufgetragen hatte, war fast nichts mehr zu sehen. Der Rocksaum war verschmutzt, und sie sah insgesamt ausgesprochen mitgenommen aus. Sie konnte nur hoffen, dass niemand sah, wie sie am Salon vorbeieilte.
    Als Francesca den ersten Schritt machte, warf sie einen Seitenblick in den Raum, in dem die Gäste an einem langen Tisch saßen, der mit leinenen Tischtüchern bedeckt war. Insgesamt fanden dort zweiundzwanzig Personen Platz, aber es würden nur einundzwanzig Stühle besetzt sein, da einer der Plätze für Francesca reserviert war. Sie verzog das Gesicht, als sie sah, dass die Frauen im Abendkleid und die Männer im Frack erschienen waren, dann duckte sie sich und huschte vorbei.
    Doch an Julia kam niemand ungesehen vorbei. „Francesca!“, ertönte auf einmal die Stimme von Julia Van Wyck Cahill. Ihr Tonfall war ernst und ließ ihre Tochter mitten in der Bewegung innehalten.
    Sie spürte nicht zum ersten Mal in ihrem Leben, wie die Schuldgefühle dafür sorgten, dass ihre Wangen rot und heiß wurden. Francesca fühlte sich wie eine Diebin, die man auf frischer Tat ertappt hatte. Für eine Flucht war es zu spät. Langsam kehrte sie zur Türschwelle zurück und versuchte, den versammelten Gästen ein freundliches Lächeln zu schenken.
    Die Tischgespräche verstummten, alle Blicke richteten sich nach und nach auf sie.
    Julia erhob sich. Dass sie und Francesca Mutter und Tochter waren,
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