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Es muss nicht immer Grappa sein

Titel: Es muss nicht immer Grappa sein
Autoren: Grafit
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ärgern, dachte ich. Ein bisschen hatte ich ihn als Deppen dargestellt, der sich von einer Journalistin des Tageblattes unter die Arme greifen lassen musste, weil er sonst nichts geregelt bekam. Aber vielleicht ärgerte er sich gar nicht. Der Typ schien völlig schmerzfrei zu sein, was Angriffe von außen anbetraf.
    Ein Klopfen an meinem Zimmer. Es war Sarah. Sie war völlig aufgelöst. Das Make-up saß schief und auf der Stirn perlte Schweiß. Der Blick flackerte. »Maria, er ist hier.«
    Ich ahnte, dass es um ihren Exmann ging.
    »Er sitzt unten im Foyer«, stammelte sie.
    »Nun beruhige dich. Vielleicht will er eine Kontaktanzeige aufgeben. Sie sucht ihn – oder so. Daran wäre doch nichts Schlimmes.«
    »Er will einen Reporter sprechen.«
    »Hat er gesagt, um was es geht?«
    Sarah schüttelte den Kopf. »Nein, Susi hat das Gespräch angenommen. Sie fragt ja nie.«
    »Hast du Jansen Bescheid gesagt? Er soll einen der Kollegen oder einen freien Mitarbeiter runterschicken.«
    »Könntest du nicht? Du hast doch neulich schon mal …«
    »Eigentlich bin ich mitten in der Arbeit.«
    »Bitte!«
    Ich speicherte meinen Text und schaltete den PC auf Stand-by. »Gut, Sarah. Ich höre mir an, was der Kerl will. Und jetzt reg dich mal wieder ab.«
    Der Pförtner sagte mir, dass die Dame noch immer da sei und warte. Die Welt ist doch ein nettes Irrenhaus, dachte ich, als ich im Fahrstuhl nach unten schwebte. Irgendeine Macke hat jeder. Nur ich hatte keine. Außer einer merkwürdigen Passion für Mandelhörnchen, einer Abneigung gegen Fisch und einer Leidenschaft für verzwickte Krimigeschichten. In den letzten beiden Wochen war die Antipathie gegen den Oberbullen dazugekommen, bei der ich noch nicht wusste, ob sie sich in Zukunft verstärken oder abschwächen würde.
    Priscilla-Anemone Meder saß mit kurzem Rock und übereinandergeschlagenen Beinen im Fauteuil der Sitzgruppe und blätterte in der Cosmopolitan . Die Haxen waren ziemlich knochig und die Sitzhaltung wirkte angestrengt. Das Oberteil war knapp und brachte die Oberweite gut zur Geltung. Wie schrecklich, sich jeden Morgen einen BH anlegen zu müssen, in dem die Brüste schon drin stecken, schoss es mir durch den Kopf.
    »Guten Tag, Frau Meder«, sagte ich. »Wir kennen uns ja schon flüchtig – aus dem Biergarten.«
    »Hallo. Ja, ich erinnere mich.« Die Stimme, die zwischen den herzförmig geschminkten Lippen hervorkam, klang schrill, war aber noch nicht richtig weiblich. Ich hatte mal gelesen, dass die Stimmen von Menschen sich am wenigsten verändern im Leben.
    »Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich habe eine Skandalgeschichte für Sie.«
    Ich setzte mich ebenfalls. »Erzählen Sie.«
    »Sie wissen ja bestimmt von Sarah, dass ich im falschen Körper stecke.«
    »So hat sie es nicht ausgedrückt, aber das Ergebnis ist gleich. Sie sind ein Mann und wollen eine Frau werden. Transsexuell heißt das.«
    Er gestikulierte so, wie man es von betont homosexuellen Kellnern kennt. Was wollte er von mir? Er versuchte, mich mit Charme zu betören. Als er lächelte, sah es aber so aus, als blecke er die Zähne.
    »Meine Namensänderung ist von den Behörden anerkannt. Schauen Sie!« Er reichte mir einen nagelneuen Personalausweis, der auf den Namen Priscilla-Anemone Meder, Geschlecht: weiblich lautete.
    »Dann ist doch alles in Butter.«
    »Eben nicht. Ich habe noch einen langen, schmerzhaften Weg vor mir.« Sein Augenaufschlag unter den schwarz geschminkten Lidern klapperte. Ich fand, er hatte ein wenig Spott verdient. »Ja, das denke ich mir. Eine Penisamputation stelle ich mir wirklich schmerzhaft vor.«
    »Ich meine die seelischen Verletzungen. Ich kämpfe seit vielen Monaten mit meiner Krankenkasse. Und letzte Woche habe ich eine neue Ablehnung bekommen. Der Widerspruchsausschuss der Kasse hat es nun endgültig abgelehnt, die Kosten für die Laser-Ganzkörperepilation zu übernehmen! Jetzt muss ich vor dem Sozialgericht klagen.«
    »Und wo ist die Skandalgeschichte?«
    »Die lassen mich die nächsten Jahre meines Lebens als behaarte Frau herumlaufen! Glauben Sie, es macht mir Spaß, mich jeden Morgen am ganzen Körper zu rasieren?« Vor Aufregung hatte Herr Meders Stimme einen hohen Ton angenommen, den man bei etwas gutem Willen tatsächlich einer Frau hätte zuordnen können, einer keifenden Frau.
    »Die Krankenkasse wird ihre Vorschriften haben«, stellte ich fest. »Wenn Ihnen Unrecht geschehen ist, werden Sie den Prozess gewinnen.«
    »Können Sie nicht einen Artikel
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