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Es ist niemals vorbei

Es ist niemals vorbei

Titel: Es ist niemals vorbei
Autoren: Kate Pepper
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Kleine lag wahrscheinlich schon seit Stunden in seinem Bettchen und schlief. In unserer Straße war es dunkel und ruhig. Nur wenige Fußgänger waren noch unterwegs, aber das gab mir ein Gefühl der Sicherheit. Inzwischen lebte ich seit mehreren Jahren in Brooklyn und fürchtete mich eher vor der einsamen Stille in Vororten und auf dem Land als vor den vielen Menschen in der Stadt. In der Not, da war ich mir sicher, würden einem die meisten Fremden helfen.
    Vor unserem Haus kramte ich die Schlüssel aus meiner Handtasche hervor. Darin lag auch mein Handy, und ich sah, dass ich es auf stumm geschaltet hatte. Also stellte ich es wieder laut. Sofort fing es an zu piepsen. Offenbar hatte meine Mutter sieben Mal versucht, mich zu erreichen. Mein Puls galoppierte. All die Dinge, die Ben zugestoßen sein konnten! Vielleicht war er die Treppe hinuntergefallen, an einem Brocken seiner Mahlzeit erstickt oder in der Badewanne ertrunken …
    Ich stürmte die Treppe hoch und schloss hastig die Haustür auf. Sie öffnete sich direkt in unseren Wohnbereich mit Diele, Wohnzimmer, Esszimmer und Küche, die ineinander übergingen. Der Stuck an den hohen Decken war in den vergangenen hundert Jahren mehrfach übertüncht worden, aber wir hatten ihn wieder freigelegt. Überall brannte Licht, doch meine Mutter war nirgends zu sehen.
    «Mom?»
    Da kam meine Mutter die Treppe hochgelaufen. Sie hatte gelegen, denn ihr kurzes rostrotes Haar war auf einer Seite platt gedrückt. Geschlafen hatte sie offenbar nicht, denn ihre Augen wirkten hellwach, wenn auch gerötet.
    «Ist mit Ben alles in Ordnung?»
    «Ihm geht es gut. Er schläft.» Meine Mutter brach in Tränen aus, trat zu mir und drückte mich an sich.
    «Was ist denn passiert? Warum hast du so oft angerufen?»
    «Warum bist du nicht drangegangen?»
    «Ich hatte auf stumm geschaltet, um die anderen im Kurs nicht zu stören. Was ist denn los?»
    «Mac habe ich auch versucht zu erreichen. Aber der hat sein Handy hier liegenlassen, als er kam, um sich umzuziehen. Als ich ihn angerufen habe, hat es hier geklingelt. Wie könnt ihr denn unerreichbar sein, wenn ich hier mit Ben allein bin?»
    «Was hast du denn früher gemacht, wenn du mit Dad aus warst? Da hattet ihr doch auch noch kein Handy.»
    «Wir haben dem Babysitter genau gesagt, wo wir waren, und die Telefonnummern des Restaurants, des Kinos oder der Freunde, die wir besucht haben, hinterlassen.»
    «Du hättest im College anrufen können.»
    «Das habe ich. Aber da war nur die Mailbox der Zentrale dran. Um weiterzukommen, brauchte man eine Durchwahl, und die hatte ich nicht.» Meine Mutter klang ungehalten.
    Jetzt weinte sie wieder. Mein Vater war schon vor einiger Zeit gestorben. Jon, mein einziger Bruder, war mit seiner Familie ans andere Ende des Landes nach Los Angeles gezogen. Seitdem war meine Mutter einsam und empfindlicher als früher. Aber diese Aufregung fand ich jetzt doch übertrieben.
    «Gut, aber was ist denn nun los?»
    «Die Polizei von Bronxville hat angerufen.»
    Bronxville lag in Westchester. Mac war dort aufgewachsen.
    «Und weshalb?»
    «Sie haben Hugh und Aileen» – das waren Macs Eltern – «im Haus gefunden.»
    «Gefunden? Was soll das heißen?»
    «Sie wurden ermordet», flüsterte meine Mutter, als befürchte sie, die Worte könnten sonst nach unten dringen und Ben erreichen. «Es war ein Raubüberfall, der aus dem Ruder gelaufen ist. So haben sie es jedenfalls ausgedrückt.»
    Die Worte klangen so irreal, dass sie kaum zu mir durchdrangen.
«Sie sind beide tot?»
    Meine Mutter starrte mich an und nickte. Ihre Augen waren blutunterlaufen. Sie musste viel geweint haben.
    «Das glaube ich nicht.» Benommen ging ich zum Sofa und ließ mich hineinfallen.
    «Das kann ich mir denken. Ich weiß, wie das ist.» Meine Mutter setzte sich neben mich.
    «Hugh und Aileen? Beide tot?»
    «Die Polizei nimmt an, dass es am späten Nachmittag geschehen ist. Aber wieso waren sie da zu Hause? Das begreife ich einfach nicht. Sie arbeiten doch den ganzen Tag in ihrem Laden.»
    «Nicht am Montag. Da ist er geschlossen.»
    «Ja, aber wieso denn? Weshalb machen sie denn montags zu?»
    «Es war ihr freier Tag. So haben sie es immer gehalten. Eine Tradition aus ihrem alten Leben in Europa. Ausnahmen haben sie nie gemacht.»
    «Die Diebe müssen gedacht haben, es sei niemand im Haus.»
    «Wahrscheinlich. Ich kann es einfach nicht glauben. Hugh und Aileen?»
    «Der arme Mac», sagte meine Mutter, und mir wurde schlagartig klar,
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