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Es ist niemals vorbei

Es ist niemals vorbei

Titel: Es ist niemals vorbei
Autoren: Kate Pepper
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zeigte eine münzgroße lavendelblaue Dahlie. Mac hatte sich damals gegen seinen Vater gewehrt, der ihn zum Studium drängte, weil er nicht wollte, dass sein Sohn im Eisenwarengeschäft der Familie endete. Mac hatte schließlich eingesehen, dass sein Vater recht hatte, und nachgegeben. Die Tätowierung hingegen war geblieben. Mac hatte einmal gewitzelt, wenigstens müsse er niemandem sein Leben erklären, sondern nur das Hemd hochziehen – das Tattoo und die Narben würden seine Geschichte schon erzählen.
    Macs eine Wange, einschließlich des Grübchens im Kinn, war noch voller Rasierschaum, die andere schon frisch rasiert. Ich hielt ihm die Zeitung hin und deutete auf das Foto, das ihn an seinem Schreibtisch in der Unternehmenszentrale von Quest Security sitzend zeigte. Die Bildunterschrift lautete: «Seamus ‹Mac› MacLeary, neuernannter Direktor der Forensik». Das Foto gehörte zu einem Artikel mit der Überschrift «MacLeary übernimmt überraschend Nachfolge von Stein».
    Mac runzelte die Stirn. «Ich dachte, das würde erst in ein paar Tagen kommen. Der Typ hatte mich vorher benachrichtigen wollen.»
    «Das hat er offenbar nicht.»
    «Wer weiß? Am Wochenende habe ich meine E-Mails nicht gelesen.» Mac betrachtete nachdenklich das Foto. «Vielleicht hätte ich doch kein Interview geben sollen.»
    «Inzwischen arbeitest du in der freien Wirtschaft», erinnerte ich ihn. «Da ist man ungeschützt. Außerdem hat deine Beförderung Aufsehen erregt, denn Deidre war allseits beliebt.»
    Mac seufzte und zuckte mit den Schultern. «Hast du den Artikel gelesen? Weißt du, was man über sie schreibt?»
    Ich überflog den Artikel auf der Suche nach ihrem Namen. «Hier steht, dass sie von einem Tag auf den anderen gehen musste. Von einem mutmaßlichen ‹Korruptionsskandal› ist die Rede. Es heißt, angeblich habe sie in einem hochkarätigen Fall gegen Geld Beweise unterschlagen.»
    «Mutmaßlich und angeblich», sagte Mac. «Das ist doch gar nichts. Den Betrug muss man ihr erst einmal nachweisen können. Jedenfalls stört es mich unendlich, auf dem Weg zu ihrem Job gekommen zu sein.» Den letzten Satz hatte Mac in der Woche seit Deidres Entlassung wie ein Mantra ständig wiederholt. Und wenn er damit fertig war, hatte er mit seinem zweiten Mantra begonnen: «Ich hoffe, sie strengt eine Gegenklage an. Wegen Rassendiskriminierung oder sexueller Diskriminierung oder beidem.»
    Ich kannte Deidre von ein paar flüchtigen Begegnungen. Sie war eine hellhäutige Afroamerikanerin Mitte dreißig. Ich wusste, dass sie eine hervorragende Ausbildung hatte und als effektive und kompromisslose Managerin bekannt war. Über ein Jahr hatte Mac mit ihr zusammengearbeitet und immer nur gut über sie gesprochen. Dann sägte man sie ab und bot Mac ihren Posten an. Ihn anzunehmen, war ihm schwergefallen, aber er kannte seine Pflichten. Nach zwei Jahrzehnten im Polizeidienst von New Jersey war er kein Mann, der viel Trara machte oder jammerte.
    «Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht», hatte er mich vor einer Woche abends begrüßt. «Welche willst du zuerst hören?»
    Ich sah ihn schweigend an. Mac wusste, dass ich überhaupt keine schlechten Nachrichten hören wollte.
    «Na schön», fuhr er fort. «Dann zuerst die gute. Ich habe eine saftige Gehaltserhöhung bekommen. Die schlechte lautet, dass sie die Sache durchgezogen haben. Deidre ist draußen, und ich bin jetzt der Chef.»
    Ich sagte, eine Beförderung dieses Kalibers sei doch eine Ehre, ganz zu schweigen von dem höheren Einkommen. Das Geld sei eine Wohltat, denn schließlich bekäme ich zurzeit nur meine Berufsunfähigkeitsrente. Diese Schecks waren eine weitere unschöne Erinnerung daran, dass mein Leben und meine Arbeit auf grauenhafte Weise kollidiert waren. Und natürlich hatte die Mutterschaft mein Studium verlangsamt. Ich hatte es zwar nicht aufgegeben und belegte am John Jay College of Criminal Justice Kurse in forensischer Psychologie, aber die Vorbereitung auf meine zweite Karriere zog sich hin. Am Wochenende, nach ein paar Margaritas bei unserem Mexikaner, hatte Mac scherzhaft vorgeschlagen, wir sollten unsere Nachnamen ändern und uns einfach Mr und Mrs Forensik nennen. Ich hatte gelacht, aber dann war mir der Gedanke gekommen, dass diese Bemerkung womöglich seine Enttäuschung darüber verriet, dass ich als Karin Schaeffer noch immer an dem Nachnamen meines ersten Mannes festhielt. Val, Macs erste Frau, hatte den Namen MacLeary schließlich gleich nach
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