Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es ist niemals vorbei

Es ist niemals vorbei

Titel: Es ist niemals vorbei
Autoren: Kate Pepper
Vom Netzwerk:
dass ich ihm die schlimme Nachricht überbringen musste.

Zwei
    Selbst so spät an einem Montagabend herrschte auf der Smith Street lebhaftes Treiben. Fast an jeder Ecke gab es eine Bar, aus der Betrunkene torkelten oder in einer Wolke aus Zigarettenqualm davor auf dem Bürgersteig standen. Der Tag war heiß gewesen, doch jetzt hatte sich die Luft angenehm abgekühlt. Jeder Schritt fühlte sich schwer an, als ich das Boat suchte, in dem sich Mac mit Billy verabredet hatte, denn in mir sträubte sich alles dagegen, Mac eine Nachricht überbringen zu müssen, die seine Welt auf den Kopf stellen würde. Inzwischen hatte ich die Polizei in Bronxville angerufen. Dort hatte man bestätigt, was meine Mutter berichtet hatte. Die Worte des Polizisten klangen mir noch in den Ohren.
    «Wie ich gehört habe, war es ein Blutbad.»
    Unverblümt grausame Worte, die ich aber schweigend schluckte.
    Einfühlungsvermögen brachte man den Polizeianwärtern auf der Schule nicht bei, das wusste ich selbst.
    Fünf oder sechs Blocks lagen schon hinter mir. Eine Bar namens Boat hatte ich nirgends entdeckt, aber vielleicht war ich auch daran vorbeigelaufen.
    Ich stellte mich zu einer plaudernden Gruppe Partygänger. «Entschuldigung.»
    Eine junge Frau in einem Minikleid mit Spaghettiträgern sah sich um. Ihr rechter Arm war vom Handgelenk bis zur Schulter mit Blüten tätowiert.
    «Wissen Sie, wo das Boat ist?»
    «Drei Blocks hinter Ihnen. Der Name steht nicht dran. Halten Sie nach einer roten Telefonzelle Ausschau.»
    Die Frau taxierte mich. Offenbar konnte sie mich nicht einordnen, denn ich war zu jung, um die Mutter von jemandem hier zu sein, aber zu alt, um mich nachts in Bars herumzutreiben. Sie drehte sich wieder zu ihren Freunden um.
    Ich lief zurück und fand die Bar. Auch hier stand bis zu der roten Telefonzelle hinaus eine Rauchergruppe auf dem Gehweg. Im Lokal waren alle Wände rot gestrichen, und die Zeile eines Songs schnitt mir ins Herz …
im Galgenschatten deines Stammbaums
 …
    Ich musste an den Baum denken, der brutal gekappt worden war, mitsamt seinem Schatten.
    Dann atmete ich tief durch und ging weiter.
    Ich musste es Mac sagen.
    Aber ich wollte es nicht tun.
    Allein der Gedanke daran war mir unerträglich.
    Und dennoch führte kein Weg daran vorbei.
    Das Licht war hier schummrig, der Innenraum nur zur Hälfte besetzt. Hinter der Theke reihten sich vor einem Spiegel glänzende Flaschen. Mein Blick wanderte suchend über die Menschen, die an der Theke hockten. Mac befand sich nicht unter ihnen. Ich durchquerte die Bar zu einem nach hinten gelegenen Raum. Dort saßen sie: Billy und Mac an einem Tisch in der hintersten Ecke. Es war genau, wie ich es mir vorgestellt hatte: ein Schwarzer und ein Weißer, die allein inmitten der anderen saßen. Sie hatten die Köpfe zusammengesteckt, vertieft in eine vertrauliche Unterhaltung. Auch die Gäste ringsum waren Polizisten. Zwar gehörten Mac und ich nicht mehr dazu, aber die Verbundenheit spürten wir noch immer sofort.
    Als er mich erkannte, lächelte Mac mir zu. Billy stand auf und schloss mich in die Arme. Er trug Jeans, Cowboystiefel und ein braunkariertes Wollhemd mit großen Perlmuttdruckknöpfen. Offenbar war das seine Standardgarderobe, wenn er abends mit den Jungs – oder in dem Fall mit dem Jungen – einen trinken ging. Das Cowboy-Outfit überraschte mich nicht. Ich wusste, dass er Countrymusic hörte, und auf der Rückablage seines Wagens hatte ich einmal einen Riesen-Stetson entdeckt.
    «Hey, Karin!» Ich roch seinen schweren Bieratem. «Wie schön, dass du vorbeikommst. Was möchtest du trinken?»
    «Danke, nichts.»
    Billy musterte mich. Offenbar spürte er, dass etwas vorgefallen war. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. «Wird auch langsam Zeit für mich. Tja, dann nochmal herzlichen Glückwunsch, Alter.» Anerkennend schlug er Mac auf die Schulter. «Ich bin stolz auf dich.»
    «Billy», sagte ich. «Du musst nicht gehen.» Vielleicht würde mir seine Anwesenheit sogar helfen. Andererseits würde Mac sicher nicht wollen, dass ein anderer Mann ihn weinen sah.
    «Danke, Karin, aber morgen habe ich Frühschicht. Macht’s gut.» Er küsste meine Wange. Ich sah ihm nach, wie er den dämmrigen roten Raum durchquerte, an der Bar vorbeilief und durch die Tür verschwand.
    Ich setzte mich auf den frei gewordenen Platz Mac gegenüber. Er beugte sich vor und strich zärtlich über meine Hand. «Was ist los?»
    «Komm, lass uns gehen.»
    Mac erkannte sofort, dass
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher