Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es ist nicht alles Gold...

Es ist nicht alles Gold...

Titel: Es ist nicht alles Gold...
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
weiß
genau, daß die Antwort auf meine Frage sich hier in diesem Laden befindet. Das
Schlimme ist nur, daß ich die Frage noch nicht weiß.« Clotilde enthielt sich
jeden Kommentars.
    »Harmon hat wahrscheinlich die
Brandanschläge auf dem Gewissen und hat sich mit Erpressung in die
Schmuggeloperation reingedrängt, aber die Morde kann er gar nicht gestehen,
weil er sie nicht begangen hat. Ich habe einfach das wichtigste Stück in dem
ganzen Puzzle übersehen.« Stille.
    »Und Greg — Greg war die ganze Zeit auf
der falschen Fährte. Erst konzentrierte er sich auf Charlie, und jetzt stürzt
er sich mit der gleichen Engstirnigkeit auf Harmon. Ich hab das Gefühl, daß er
absichtlich etwas außer acht gelassen hat, aber ich weiß nicht, was und auch
nicht, warum.«
    Clotilde schien sich in meiner
Gesellschaft zu langweilen. Ich stand auf und wanderte zu Bruno hinüber.
    »Was wohl jetzt aus dir werden wird,
Bruno«, sagte ich und tätschelte ihm den Kopf, »wo Joan nicht mehr da ist, um
dich zu beschützen?«
    Wieder nur Stille.
    Ich konnte mir plötzlich vorstellen,
wie Joan in diesem stillen, düsteren Laden mit der Zeit ein wenig versponnen
geworden war. Kein Wunder, daß sie mit Clotilde und Bruno und dem kleinen
Jungen im Matrosenanzug gesprochen und versucht hatte, sie zum Leben zu
erwecken. Ich ging durch den Gang zu Edwin Eisenschuh, der allein in seiner
dunklen Ecke stand.
    Die Schaufensterpuppe hatte den Blick
wie immer zur Wand gerichtet.
    »Armer Edwin«, sagte ich. »Jetzt hast
du nichts mehr zum Ansehen. Die blanke Wand nach einem Bellini. Hast du
eigentlich erkannt, daß es ein Meisterwerk war, oder hatte sich dein kritisches
Auge noch nicht so weit entwickelt?«
    Edwin würdigte mich keines Blickes.
    »Edwin, es ist blöd, eine kahle Wand
anzustarren. Warum drehst du dich nicht um?«
    Stille.
    »Sharon McCone, du bist wirklich dabei,
verrückt zu werden!« rief ich laut. Zu Edwin gewandt fügte ich hinzu: »Es ist
ja nicht deine Schuld, daß du so unfreundlich bist. Du könntest dich nicht mal
umdrehen, wenn du es wolltest. Schließlich hat Charlie dich am Boden
festgenagelt.«
    Ich lächelte bei der Erinnerung an
Joans hübsche kleine Verkaufsnummer. Wie lange hatte sie die kunstvolle, sicher
häufig geprobte Komödie mit Edwin gespielt? Seit gut zwei Jahren, seit dem
Herbst vor dem Tod ihres Enkels.
    Mit Trauer erinnerte ich mich, wie Joan
mich mit aufmerksamem Blick angesehen und gefragt hatte: »Sind Sie vielleicht
eine Kunstliebhaberin?« Und als Cara Ingalls in den Laden gekommen war, hatte
sie mit ihr das gleiche Stück aufgeführt, obwohl das sicher eine Frau war, die
für solche Fantasien wenig übrig hatte. Aber Joans Traumwelt hatte wohl selbst
die fantasielosesten Leute in ihren Bann gezogen. Und auch das Wissen, daß sie
eine Betrügerin gewesen war, konnte mein Vergnügen an den Fantasien der Toten
nicht dämpfen.
    Zum Beispiel dieser Einfall, Edwin als
Kunstkenner hinzustellen.
    Eine Verkaufsmasche.
    Sie hatte sich diese »Masche« vor zwei
Jahren ausgedacht, im Herbst, zu einer Zeit, als sie viel mehr Geld brauchte,
als der Laden einbringen konnte.
    »Sind Sie vielleicht eine
Kunstliebhaberin?«
    Ben Harmon hatte vorgehabt, Joan einen
neuen Laden zur Verfügung zu stellen. Vermutlich hätten sie dann in noch viel
größerem Umfang geschmuggelt. Hätte Edwin mit dem Blick zur Wand auch in dem
neuen Laden zum Inventar gehört?
    Edwin, der Kunstkenner.
    Als ich Edwin das erste Mal sah, hatte
er ein Gemälde von Hirten auf einem Feld betrachtet.
    Eine Verkaufsmasche.
    Ich begann zu zittern.
    »Edwin«, flüsterte ich. »Edwin, warum
hast du es mir nicht gesagt?«
    Was sonst gehört zu einer Madonna mit
Kind und den drei Weisen aus dem Morgenland?
    Hirten. Hirten mit ihrer Herde auf
einem Feld.
    Und was hatte mir Paula über
Kunstsammler gesagt? Für manche von ihnen besteht die erregende Spannung gerade
darin, daß sie ganz allein ein verbotenes Kunstwerk besitzen und genießen
können.
    Ich rannte durch den Gang zum Telefon.
Aber als ich abhob, kam kein Signal. Natürlich, man hatte das Telefon
abgestellt. Ich knipste die kleine Lampe auf dem Verkaufstisch aus, nahm meine
Tasche und machte mich auf den Weg durch den dunklen Raum zur Tür.
    Auf halbem Weg blieb ich stehen. Von
der Straße näherten sich Schritte. Ich hatte gerade noch Zeit, hinter den
Verkaufstisch zu tauchen, als sich ein Schlüssel im Schloß bewegte.
     
     
     

25
     
    Die Tür wurde geöffnet und geschlossen,
jemand
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher