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Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Titel: Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)
Autoren: Horst Bosetzky
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Körperverletzung. War er betrunken und kam ihm dann einer dumm und dämlich, schlug er auf der Stelle zu - und er war jedes Wochenende betrunken.
    Hermann Kappe war nun schon seit drei Wochen in Berlin, aber noch immer kam er sich in der Hauptstadt irgendwie verloren vor. So zuckte er unwillkürlich zusammen, als sein Vorgesetzter ihm sagte, er möge sich nach Moabit in Marsch setzen, von der Kohlenhandlung Kockanz in der Wiclefstraße sei ein Einbruch gemeldet worden und die dortige Wache habe wegen der Streikunruhen keine freien Kapazitäten. «Und die wissen, dass wir Sie hier am Alexanderplatz als Supernumerar zur freien Verfügung haben.»
    Kappe schaute nicht eben intelligent drein, weil er keine Ahnung hatte, was das war, ein Supernu. .. Eigentlich ein Überzähliger, genauer gesagt, eine Dienstkraft, die im Stellenplan nicht vorgesehen war, aber aus den verschiedensten Gründen beschäftigt wurde. Bei Kappe hieß der Grund Ferdinand von Vielitz. Nachdem ihm Kappe das Leben gerettet hatte, war der Major nach Berlin gefahren und hatte seine Verbindungen spielen lassen. Schließlich war Kappe nach Berlin versetzt worden und sollte sich nun in der täglichen Kleinarbeit als Kriminalwachtmeister bewähren.
    «Und vergessen Sie nicht, sich Ihr Schild in die Brusttasche zu stecken», sagte der Vorgesetzte.
    «Sehr wohl.» Kappe machte eine leichte Verbeugung und ignorierte den leisen Spott in der Stimme des anderen. Er wusste sehr wohl, dass die Berliner Kollegen dazu neigten, alle, die aus der Mark Brandenburg oder anderen preußischen Provinzen kamen, von vornherein als Hinterwäldler und Dorftrottel zu betrachten. Einige mochten neidisch auf ihn sein, war er doch von den Zeitungen als Held von Storkow ausgiebig gefeiert worden. Wie er sich dem Einbrecher todesmutig entgegengestellt hatte. Dessen Kugel wäre ihm auch wirklich ins Herz gedrungen, wenn sie nicht von dem abgeschraubten Schild in seiner Brusttasche abgefangen worden wäre. So hatten ihn nur die Wucht des Geschosses und der Schock zu Boden stürzen lassen, doch verletzt worden war er nicht im Geringsten. Im Glauben, ihn getötet zu haben, hatte der Schütze von seinem Opfer abgelassen und war ins Freie gestürzt. Der Major hatte ihn nicht weit verfolgen können, denn sich um Kappe zu kümmern war ihm wichtiger erschienen. «Kappe, das werde ich dir nie vergessen!» Und sein Dank hatte darin bestanden, dafür zu sorgen, dass sich Kappes Herzenswunsch, als Kriminalwachtmeister nach Berlin zu gehen, endlich erfüllte. «Nun danket alle Gott!», hatten sie in der Storkower Kirche gesungen. Dass es so hart sein würde, sich hier in der Hauptstadt durchzubeißen, hätte er sich allerdings nicht träumen lassen.
    Hermann Kappe machte sich auf den Weg nach Moabit. Zur Stadtbahn war es nicht weit. Er ging gern über den Alexanderplatz. Wo anders als hier konnte er üben, Berliner zu werden? Unübersichtlich war es hier, von allen Seiten kamen Straßenbahnen und Automobile wie Geschosse auf ihn zu, er musste Kraft- und Pferdedroschken, Fahrrädern, Handkarren und eiligen Fußgängern ausweichen. Dazu kam der Lärm. Und immer wieder irritierten ihn die eleganten Damen, die an ihm vorüberrauschten. Wie glücklich mussten die Männer sein, die so ein Weib besaßen! Klein und unscheinbar kam er sich da vor, und am meisterten schüchterte ihn die Berolina ein, deren Standbild nun schon seit fünfzehn Jahren den Alexanderplatz beherrschte. «Frau Bürgermeisterin» hatte der Volkswitz sie getauft. Ihre ausgestreckte linke Hand gab den Berlinern Anlass zu mancherlei spöttischen Betrachtungen. Während die einen meinten, die Berolina strecke die Hand nach neuen Steuern aus, fanden die anderen, sie weise den Besuchern der benachbarten städtischen Wärmehalle den Weg zur «Palme», dem Asyl für Obdachlose.
    Kappe hielt es fast für ein Wunder, dass er den Stadtbahnhof erreichte, ohne überfahren oder wenigstens umgerannt worden zu sein. Sicherlich war es kein Abenteuer für ihn, mit der Eisenbahn zu fahren, das kannte er von Wendisch Rietz und Storkow her, aber ein wenig Höhenangst überkam ihn doch, wenn es über die Viaduktbögen ging. Wenn da mal ein Zug entgleiste. .. Erst zwei Jahre war es her, dass es am Gleisdreieck ein Zugunglück mit achtzehn Toten gegeben hatte. Nun gut, das war die Hoch- und nicht die Eisenbahn gewesen, aber dennoch. ..
    Anderes beschäftigte ihn jedoch mehr, als er auf dem verqualmten Bahnsteig stand und auf den nächsten Zug Richtung
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