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Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Titel: Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)
Autoren: Horst Bosetzky
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Fischer und glaubte, dass auf dem Grunde der märkischen Seen Nix und Hakenmann zu Hause waren, die dafür sorgten, dass immer wieder Menschen ertranken. «Wir stehlen ihnen die Fische - und das ist ihre Rache.»
    Hermann Kappe hielt das für ausgemachten Unsinn, aber ein bisschen bänglich war ihm doch. Gegen seine Natur kam niemand an. Wie immer, wenn er sich selber vorwarf, ein feiger Hund zu sein, versuchte er es mit dem Trick, an Old Shatterhand zu denken. Ein Großcousin aus Köpenick hatte ihm einige zerfledderte Karl-May-Bände mit nach Wendisch Rietz gebracht, und Kappe hatte sie Seite für Seite mit heißem Herzen verschlungen. Ein Junge brauchte nicht viel Phantasie zu haben, um die Gegend um den Storkower und den Scharmützelsee für den Wilden Westen zu halten. Kappe musste unwillkürlich schmunzeln, denn kam er Vielitz mit Old Shatterhand, Winnetou, Old Firehand und Sam Hawkens, dann geriet der in Rage, weil ein Sohn Brandenburg-Preußens seiner Ansicht nach andere Idole haben sollte, zum Beispiel die Generale Seydlitz, Ziethen und Blücher. «Aber du bist ja noch jung, und was nicht ist, kann ja noch werden.» Ohne die Fürsprache des Majors wäre er in seinem Alter nie und nimmer Schutzmann in Storkow geworden.
    Hermann Kappe war in Wendisch Rietz am 2. Februar 1888, im Dreikaiserjahr, auf die Welt gekommen. Der Familienname wurde vom örtlichen Pfarrer auf das spätlateinische cappa zurückgeführt, die krempenlose Kopfbedeckung, während sein Vater meinte, die Urahnen hätten an der Oberhavel gesessen, wo knapp östlich von Zehdenick das Dörfchen Kappe lag.
    Während Kappe dies alles durch den Kopf ging, hatte er sich der Vielitzschen Villa auf etwa hundert Schritt genähert. Im «Salon Seeblick», wie der Major das größte seiner vielen Zimmer getauft hatte, brannte helles Licht. Also war dieser zu Hause und hatte Besuch. Aber die Büsche waren so dicht, dass sie es Kappe zunächst verwehrten, über die Terrasse hinweg einen Blick in den Salon zu werfen. Er musste weiter vordringen und sie zur Seite schieben. Denn er war ein viel zu neugieriger Mensch, als dass er der Versuchung nicht erlegen wäre, sich näher heranzuschleichen. Ein bisschen kam er sich vor wie ein Voyeur, aber dass Vielitz Damenbesuch hatte, war kaum anzunehmen. Oder doch? Es hieß, er solle es früher toll getrieben haben. Nein, was Kappe da hörte, waren ausschließlich Männerstimmen. Zwei. Der Brummbass des alten Haudegens war unverwechselbar, die andere Stimme war Kappe fremd.
    Endlich war er weit genug heran. Vorsichtig teilte er die Büsche mit den Händen. Als er sich freie Sicht auf Terrasse und Salon verschafft hatte, traf ihn fast der Schlag: Von Vielitz stand mit erhobenen Händen vor seinem Kamin, in Schach gehalten von einem Einbrecher in schwarzem Anzug. Dessen Pistole war drohend auf die Brust des Majors gerichtet.
    «Her mit den Schlüsseln zu Ihrem Tresor! Wird’s bald!», rief der Eindringling.
    «Ich habe keinen Tresor», antwortete von Vielitz.
    «Möchten Sie, dass ich Sie über den Haufen schieße?!»
    «Möchten Sie gehenkt werden?», fragte der Major zurück.
    So schien es schon eine Weile zu gehen, und Kappe fragte sich, ob der Eindringling nicht doch irgendwann die Contenance verlor und abdrückte. Wie es schien, war er kein mit allen Wasser gewaschener Zuchthäusler, sondern in seinem Gewerbe nur ein kleines Licht - und damit schwer zu kalkulieren. Wenn ihn der Major mit seiner Kaltblütigkeit weiter reizte. ..
    Kappe musste eingreifen, bevor es zu spät war. Gebückt huschte er über die Terrasse. Das gelang ihm absolut lautlos und ließ ihn darauf hoffen, unbemerkt in den Rücken des Mannes zu gelangen. Ihm mit der linken Hand die Waffe entreißen und ihn gleichzeitig mit der Rechten würgen und zu Boden reißen, das musste alles in einer Bewegung geschehen. Nur so ließ sich der Major noch retten.
    Eine der Flügeltüren stand eine Handbreit offen, und Kappe musste sie nur ein paar Zentimeter weiter nach innen drücken, um in den Salon schlüpfen zu können. Ein Kinderspiel, zumal er aus der Dunkelheit kam. Doch die Tür knarrte, und der Eindringling fuhr herum. Als er Kappe erblickt hatte, zögerte er keinen Augenblick, auf ihn zu feuern. Auf die Brust, ins Herz. Und schon mit dem ersten Schuss hatte er getroffen. Kappe schrie auf und stürzte zu Boden.

ZWEI
Montag, 19. September 1910
    DIE SONNE war noch nicht richtig aufgegangen, als sich Gustav Dlugy auf sein Fahrrad setzte, um zur Arbeit auf
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