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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns
Autoren: Horst Biernath
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tun?“
    Sie zerdrückte ihre Zigarette in dem mit Jugendstil-Ornamenten verzierten Aschbecher, der unterhalb des Fensters angebracht war.
    „Nun ja, Papa ließ die Wetterseite und das Dach der Kapelle mit neuen Schindeln abdecken“, sagte sie ein wenig zögernd, und etwas heftiger fuhr sie fort: „Also ich sehe nichts dahinter, daß er die Schindeln aus dem eigenen Lager zur Verfügung stellte!“
    „Aus dem eigenen Lager?“ fragte er erstaunt; „handeln Sie denn auch mit Baumaterial?“
    „Das nicht, sondern mit Haushaltsartikeln. Und Papa hatte vor der Währungsreform einen riesigen Posten Wurstbrettchen eingekauft, mehr als hunderttausend Stück. Sie wissen ja, man nahm damals alles ins Lager, was man nur kriegen konnte. Und weil es kein Porzellan gab, waren die Wurstbrettchen ein gutes Geschäft...“
    „Gewiß, gewiß...“ , murmelte er und begann zu ahnen.
    „Dummerweise war mit einem Brandstempel auf die eine Seite der Brettchen, die sich prima für den Frühstückstisch eigneten, ,Guten Appetit’ eingebrannt..
    „Lieber Gott im Himmel“, sagte er etwas betäubt, „und diese Brettchen stellte Ihr Vater zur Bedachung und Verschalung der Kapelle zur Verfügung?“
    „Was wollen Sie!“ rief sie laut, „tadelloses, fehlerfreies Hartholz! Weißbuche allerbester Qualität! Schneeweiß und astfrei!“
    „Nun ja, nun ja!“ murmelte er begütigend und mußte sich auf die Lippen beißen, um nicht herauszuplatzen.
    „Hören Sie mal!“ schrie sie wütend, „sollte mein Vater die guten Brettchen im Lager verfaulen lassen?! Sie hatten ihn ein Vermögen gekostet!“
    „Aber loszubringen waren sie auch nicht mehr, nicht wahr?“ grinste er sie an.
    „Jedenfalls nicht so rasch, wie wir unsere Lager umschlagen müssen, wenn das Geschäft rentabel bleiben soll. — Aber dieser Böhlke“, fuhr sie mit zornfunkelnden Augen fort, „tat gerade so, als ob mein Vater den lieben Gott persönlich übers Ohr gehauen hätte!“
    „Hat er denn die Geschichte veröffentlicht?“
    „Nicht im Aldenberger Käsblattl, da stand ja nun Gott sei Dank Onkel Alois davor! Aber in den Münchner Abendblättern und bis nach Hamburg hinauf ist sie erschienen! Und was die größte Gemeinheit war: er bot meinem Vater das Manuskript seines Schandartikels zum Kauf an!“
    Lothar Lockner wollte ein empörtes Gesicht machen, aber es gelang ihm nicht. Auf die Gefahr hin, daß diese Begegnung mit Fräulein Johanna Klapfenberg die letzte sei, brach er in ein schallendes Gelächter aus. Er lachte, daß ihm die Tränen aus den Augen liefen.
    „Verzeihen Sie“, stammelte er halb erstickt, „daß er seinen Artikel Ihrem Vater verkaufen wollte, ist natürlich glatte Erpressung und eine bodenlose Schweinerei. Aber daß er ihn veröffentlicht hat... Ich gestehe Ihnen ganz ehrlich, ich weiß nicht, was ich an seiner Stelle getan hätte, wenn mir solch eine Rosine in dem täglichen zähen Kuchen in den Schoß gefallen wäre.“
    „Ich weiß nicht, was daran komisch sein soll“, sagte sie sichtlich verstimmt; „da gibt es in Aldenberg ganz andere Geschichten. — Und wenn Sie die Absicht haben, alles, was Sie dort hören werden, an die große Glocke zu hängen, — lieber Herr, dann kann ich Ihnen nur den guten Rat geben, anstatt Ihres feschen Borsalino einen Stahlhelm aufzusetzen!“
    Der Zug rumpelte durch die Bögen eines weitgespannten Viadukts hindurch. Fräulein Klapfenberg erhob sich und griff nach ihrem Mantel, es war ein sportlich gearbeitetes Modell aus flauschigem Kamelhaar. Lothar Lockner sprang auf, um ihr behilflich zu sein. Das Schwanken des Wagens, der mit Getöse über eine Weiche schlingerte, warf sie gegeneinander. Für den Bruchteil einer Sekunde spürte er das elastische Nachgeben ihrer Brust. Sie griff nach einem Halt und fand seinen Arm.
    „Ein scheußliches Gerumpel“, rief sie ihm ins Ohr, „aber wir sind in fünf Minuten am Ziel.“
    „Schade!“ brüllte er.
    „Weshalb schade?“ schrie sie zurück.
    „Von mir aus könnte es stundenlang weitergehen! Es war so hübsch, sich mit Ihnen zu unterhalten. Und es war interessant für mich.“
    „Hoffentlich!“ rief sie mit spürbarer Betonung.
    Er hob ihr Köfferchen aus dem Gepäckrost, einen kleinen Koffer aus genarbtem Leder, der wohl nicht mehr als ein paar Kleinigkeiten enthielt, denn er war federleicht. Ein Duft von Eau de Cologne und guter Seife streifte seine Nase. Das Schild am Koffer trug ihre Karte: Jo Klapfenberg. Er half ihr in den Mantel. Dabei
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