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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns
Autoren: Horst Biernath
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Messer wirklich ins Kreuz bekommen.
    Das waren so dem Pflanz seine Pflänz. Die Beamten hatte er gefressen. „Solange denen ihr Federhalter nicht einen Zentner wiegen, wird mir keiner erzählen, daß die Brüder was tun!“ Das war eine seiner ständigen Redensarten, — aber letzten Endes zahlte er seine Steuern, und daß er murrte, konnte man ihm nicht verübeln. Allein von seiner Kirchensteuer hätte sich der Pflanz einen eigenen Hauskaplan halten können.
    Eine seiner Töchter hatte nach Australien ,hintri’ geheiratet. Mister William P. Cleaver war als Besatzungssoldat nach Aldenberg verschlagen worden und hatte sich spornstreichs in das hübsche Pflanztöchterl verliebt. Bei dem Beruf ihres Vaters hatte sie es auch in den mageren Jahren wahrhaftig nicht nötig gehabt, einen Australier zu heiraten. Aber auch bei ihr hatte die Liebe eingeschlagen. Und sie hatte keine schlechte Partie gemacht. Mr. Cleaver besaß in Sidney eine glänzend gehende Trikotagenkleiderfabrik. Nur daß man das Mädl, wenn es gut ging, eben höchstens alle fünf Jahre einmal sah. — Abends drehte Frau Walburga Pflanz im Wohnzimmer den großen, von innen erleuchteten Glasglobus, fuhr mit dem Finger über das Blau der Ozeane, murmelte unaussprechbare fremde Länderund Städtenamen und seufzte. — Vor zwei Jahren hatte es einmal so ausgesehen, als ob auch Elisabeth, ihre jüngste Tochter, über den Ozean davonfliegen würde. Mr. Cleaver hatte einen Bruder, Humphrey, der sich brieflich um das Lieserl ernsthaft beworben hatte. Photos waren zwischen Sidney und Aldenberg hinund hergegangen. Aber Humphrey hatte eine schiefe Nase, und dann war es wohl auch der seltsame Vorname des Kandidaten, der Elisabeth bewogen hatte, doch lieber im Lande zu bleiben und den Werbungen des jungen Herrn Franz Salteneder vom Möbel- und Teppichgeschäft Salteneder Gehör zu schenken. — Franzi! — das waren doch vertraute Laute. Aber Humphrey! Nein, sie hätte es nie über die Lippen gebracht! Do you love me? — Yes, Humphrey... Lieber Gott, sie hätte sich totgelacht...
    Und dann war da noch ein Pflanzsprößling, ein Sohn, ein Nachzügler, der gekommen war, als man kaum noch auf einen Sohn und Erben zu hoffen gewagt hatte. Was war der Pflanz auf seinen kleinen Bepperl stolz gewesen! Sein Buberl, sein Burschi, sein Herzblatt... Bis es sich dann herausstellte, daß der kleine Mann das Gehen so schwer lernte, mit vier Jahren noch lallte, mit fünf noch nicht sauber war, und mit sieben dort, wo andere Kinder mit drei sind. Er war inzwischen zwölf Jahre alt geworden, der Bub, körperlich mit den riesigen Pratzen und einem dunklen Bartanflug ein Achtzehnjähriger, geistig ein Kleinkind. Seit die Ärzte festgestellt hatten, daß sein Sohn ein Idiot bleiben würde, war in ihm eine Spannfeder zerbrochen. Daß ihm das widerfahren mußte! Gerade ihm mit seiner strotzenden Kraft und Gesundheit! — Er haderte mit Gott, still und verbissen, denn schließlich gehörte die Ortsgeistlichkeit nicht zu seinen schlechtesten Kunden. Da war zum Beispiel der Benefiziat Dr. Ambros, ein gewaltiges Mannsbild und ein gewaltiger Esser und Trinker, der kerzengerade heimging und das Schlüsselloch ohne Mühe fand, wenn er den acht Liter fassenden Umtrunk-Krug geleert und hinterher, weil es ihm von dem vielen kalten Geschlapp zu wäßrig im Magen war, noch zwei Steinhäger draufgesetzt hatte.
    Aber das war vorbei, die Geistlichkeit verkehrte nicht mehr im ,Lamm’. Der Stadtpfarrer hatte es sogar erwogen, dem Pflanz einen Prozeß wegen Gotteslästerung anzuhängen, aber er hatte es dann doch unterlassen. Das war die Geschichte, als sich vor zwei Jahren die Schützenvereine nach langer Zwangspause wieder auftaten und als Gründungsort einer neuen Aktivität Aldenberg an der Ache erwählten. Vierzig Vereine hatten sich mit ihren Fahnen angemeldet, sogar die Schützenbrüder aus den österreichischen Salzachgauen hatten Abordnungen angekündigt. Und der Pflanz war zum Festwirt bestellt worden.
    Und wie dieses Pfingstfest herangekommen war! Ein Wunder in zartem Grün und strahlendem Blau. Am Mittwoch Sonne, am Donnerstag prachtvolle Wärme, am Freitag eine richtige sommerliche Hitze, und am Samstag vormittag noch brannte die Sonne aus einem wolkenlosen, flirrend blauen Himmel hernieder. Sechs Zentner Weißwürste, drei Zentner Schweinsbratwürste, einen Zentner Stuttgarter Leberkäs, vier frisch geschlachtete Schweine, ein Ochse, dreihundert junge Gockeln, zwölfhundert Wollwürste und
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