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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen
Autoren: Michel Verne
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abbrechende Produktion von Elektrizität ohne galvanische Säulen oder Maschinen, das Licht ohne Verbrennung oder Weißglühen und endlich die unversiegbare Quelle der Energie, die die industrielle Produktion verhundertfacht hat.
     
    Nun, diese gesamte Wunderwelt werden wir in einem unvergleichlichen Hotel – dem Hotel des
Earth Herald,
das gerade eben in der 16‘823. Straße eingeweiht wurde – zu sehen bekommen.
    Lebte der Gründer des
New York Herald,
Gordon Benett, plötzlich wieder unter uns, was würde er wohl sagen, wenn er diesen Palast aus Marmor und Gold erblickte, der seinem gefeierten Enkel, Francis Benett, gehört? Dreißig Generationen sind aufeinander gefolgt, doch der
New York Herald
blieb in der Familie der Benetts. Als vor zweihundert Jahren die Regierung der Union von Washington nach Centropolis verlegt wurde, folgte die Zeitung der Regierung – falls es nicht etwa gar umgekehrt war: daß die Regierung der Zeitung folgte – und gab sich den Namen
Earth
Herald.
    Und man darf nicht etwa meinen, daß die Zeitung unter Francis Benetts Verwaltung Risiken gelaufen wäre. O nein! Ihr neuer Direktor sollte ihr sogar unvergleichliche Macht und Vitalität verleihen, indem er den telephonischen Journalismus einführte.
    Das System, das durch das unerhört große Übermittlungsnetz des Telephons möglich geworden ist, dürfte ja bekannt sein: jeden Morgen wird der
Earth Herald,
anstatt gedruckt zu werden – wie das in den Jahren der Antike üblich war –, ›gesprochen‹. In raschem Gespräch mit einem Reporter, einem Politiker oder einem Wissenschaftler erfährt der Abonnent, was er wissen wollte. Was nun den Straßenverkauf betrifft, so nehmen die Zeitungskäufer vom Inhalt der Tagesausgabe in ungezählten Telephonkabinen Kenntnis, wo ihnen auf phonographischem Wege über alles Mitteilung gemacht wird.
    Diese Erfindung von Francis Benett hauchte dem überlieferten Zeitungswesen neues Leben ein. Innerhalb von ein paar Monaten steigerte sich die Zahl der Abonnenten auf fünfundachtzig Millionen, das Vermögen des Verlegers vergrößerte sich entsprechend auf dreißig Milliarden, und heute beträgt es gar ein Vielfaches dieser Summe. Dank diesem Vermögen ist es Francis Benett möglich geworden, das von ihm geplante moderne Hotel zu bauen – ein Monumentalgebäude mit vier Fronten von je drei Kilometern Länge, dessen Dach sich mit der prächtigen Fahne des Bundes – sie weist heute fünfundsiebzig Sterne auf – geschmückt hat.
    Zur Stunde wäre der Zeitungskönig Francis Benett auch König beider amerikanischer Kontinente – wenn die Amerikaner jemals einen Souverän dieser Art anerkennen könnten. Sie zweifeln an meinen Worten? So sehen Sie doch nur, wie die Machthaber sämtlicher Nationen, und auch unsere eigenen Minister, sich vor seiner Türe drängeln, seinen Rat einholen, um sein Einverständnis buhlen, um Unterstützung durch sein allmächtiges Organ flehen! Unzählig sind die Wissenschaftler, deren Projekte er finanziert, die Künstler, die er unterstützt, die Erfinder, die er subventioniert! Ermüdend ist ein solches Königtum; es bedeutet tägliche pausenlose Arbeit, die in früheren Zeiten ein Mensch nicht hätte bewältigen können. Glücklicherweise sind die Menschen von heute robuster, dank dem Fortschritt der Hygiene und der körperlichen Ertüchtigung durch das Turnen, die das Durchschnittsalter der Menschen von 37 auf 68 Jahre hinaufgeschraubt haben – und dank der aseptischen Zubereitung der Lebensmittel, was natürlich nur ein Zwischenglied in der Entwicklung bedeutet, bis nämlich entdeckt ist, wie man sich von Luft ernährt … indem man einfach einatmet.
    Und jetzt möchte ich Sie mit der täglichen Arbeit eines Direktors des
Earth Herald
bekanntmachen. Nehmen Sie sich die Mühe und begleiten Sie ihn bei seinen vielseitigen Aufgaben – heute, am 25. Juli des laufenden Jahres 2889.
     
    Francis Benett ist an diesem Morgen recht verdrießlich erwacht. Jetzt weilt seine Frau schon seit acht Tagen in Frankreich, und er fühlt sich ein bißchen einsam. Ist es zu glauben? Zehn Jahre sind sie nun verheiratet, doch ist es das erstemal, daß Frau Edith Benett, eine
professional beauty,
so lange von ihm getrennt bleibt. Gewöhnlich genügen ihr zwei bis drei Tage für ihre häufigen Reisen nach Europa, genauer gesagt nach Paris, wo sie ihre Hüte einkauft.
    Seit er erwacht ist, hat darum Francis Benett sein Fernsehtelephon eingeschaltet, dessen Drähte ihn mit dem Hotel, das er in
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