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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen
Autoren: Michel Verne
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den Champs-Elysées besitzt, verbinden.
    Das durch einen Fernsehapparat ergänzte Telephon ist eine weitere Errungenschaft unserer Epoche! Obgleich die Übermittlung der menschlichen Stimme durch den elektrischen Strom schon sehr alt ist, wurde die Bildübertragung doch erst vor relativ kurzer Zeit möglich. Eine köstliche Entdeckung ist es schon, und Francis Benett ist nicht der letzte, der den Erfinder dafür segnet, wie er nun seine Frau sehen kann, die vor ihm in einem Telephotospiegel sichtbar wird, und zwar – trotz der enormen Distanz, die sie trennt – sehr deutlich.
    Welch süße Vision! Frau Benett liegt noch im Bett, offenbar ein wenig müde von dem Ball-oder Theaterbesuch des vergangenen Abends. Es muß zwar schon bald Mittag sein, dort drüben, doch sie schläft immer noch und hat ihr reizendes Gesichtchen in die Spitzen des Kopfkissens vergraben.
    Doch jetzt bewegt sie sich … ihre Lippen zittern … Träumt sie wohl? … Ja, sie träumt! … Und jetzt: ein Wort, von ihren Lippen geflüstert: »Francis … mein lieber Francis! …«
    Und wie sein Name von dieser sanften Stimme
derartig
ausgesprochen wird, hebt sich die Laune unseres Francis Benett sogleich ganz erstaunlich. Weil er die schöne Schläferin nicht zu wecken begehrt, springt er rasch aus seinem Bett und in den mechanischen Ankleideapparat.
    Zwei Minuten darauf setzt ihn die Maschine gewaschen, frisiert, vom Kopf bis zu den Füßen völlig angezogen vor der Tür zu seinen Arbeitszimmern ab. Gleich kann er seine Tagesarbeit beginnen.
    Erst begibt er sich einmal in die Feuilleton-Redaktion. Das ist ein immenser Saal, der von einer riesigen Glaskuppel überdacht wird. In der einen Ecke stehen viele Telephonapparate, über die einhundert Literaten des
Earth Herald
hundert fiebernden Zuhörern hundert Kapitel aus hundert Romanen vorlesen.
    Er nähert sich einem der gerade für fünf Minuten pausierenden Feuilletonisten und sagt zu ihm:
    »Sehr gut, sehr gut, Ihr letztes Kapitel! Jene Szene, in der die junge Dorfschöne mit ihrem Verehrer gewisse Probleme der transzendenten Philosophie anschneidet, zeugt von differenzierter Beobachtung. Noch selten sind die ländlichen Sitten besser gezeichnet worden! Fahren Sie so fort, mein lieber Archibald, und gutes Gelingen! Dank Ihnen haben wir seit gestern zehntausend neue Abonnenten!«
    »Mr. John Last«, wendet er sich dann an einen andern Mitarbeiter, »mit Ihnen bin ich schon weniger zufrieden! Ihr Roman ist nicht erlebt! Sie rennen zu rasch aufs Ziel los! Wo bleiben denn die dokumentarischen Geschehnisse? Zergliedern muß man, zergliedern! Man schreibt heute nicht mehr mit einer Feder. Mit einem Schnitzmesser müssen Sie schreiben! Im wirklichen Leben beruht eine jede Handlung auf flüchtigen, aufeinanderfolgenden Gedanken, die ihrerseits sorgfältig und der Reihe nach aufgezählt sein wollen, wenn wir ein lebendes Wesen schaffen möchten! Was ist denn einfacher, als sich zu diesem Zweck des elektrischen Hypnotismus zu bedienen, der das menschliche Wesen aufspaltet und in seine beiden Persönlichkeiten trennt! Schauen Sie sich zu, wie Sie leben, mein lieber John Last! Machen Sie es Ihrem Kollegen nach, den ich gerade eben so gelobt habe! Lassen Sie sich hypnotisieren … Wie? … Sie tun das bereits? … Dann aber nicht gründlich genug, nicht gründlich genug!«
    Nach dieser kleinen Rüge fährt Francis Benett mit seiner Inspektion weiter und begibt sich in den Reportersaal. Seine fünfzehnhundert Reporter sitzen soeben vor derselben Anzahl Telephone und geben den Abonnenten die Nachrichten bekannt, die während der Nacht aus allen Teilen der Welt eingelaufen sind. Die Organisation dieses unvergleichlichen Dienstes ist schon wiederholt beschrieben worden. Außer dem Telephon hat jeder Reporter vor sich eine Anzahl von Übermittlungsgeräten, die ihm gestatten, sich in ganz bestimmte Fernsehkanäle einzuschalten. So können die Abonnenten den Verlauf der Ereignisse nicht nur hören, sie können ihn auch mit den Augen verfolgen. Geht es um die Spalte ›Verschiedenes‹ – wo meistens die Angelegenheit im Moment der Berichterstattung bereits der Vergangenheit angehört –, dann werden die wichtigsten Phasen in einer Aufzeichnung wiedergegeben, die durch Photographie an Ort und Stelle festgehalten wurde.
    Francis Benett spricht einen der zehn Reporter an, die das Ressort Astronomie unter sich haben.
    »Na und, Cash? Was haben Sie empfangen?«
    »Phototelegramm von Merkur, Venus und Mars,
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