Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen
Autoren: Thomas Bernhard
Vom Netzwerk:
auf immer unzugänglichere Gipfel. Erinnerst du dich? Alles eine Frage der richtigen Atemzüge , so unser Vater. Anmarsch und Aufmarsch und Abmarsch in die Erschöpfung. Unser Haß gegen Rucksäcke und gegen alles in den Rucksäcken. Unser Bergschuhehaß, sagte er. Wir hassen Rucksäcke und gehen mit Rucksäcken auf den Scheibenboden, sagte er. Wir hassen den Ortler und gehen auf den Ortler. Wir hassen was wir tun, sagte er. Der Grund, warum plötzlich, noch dazu in der finstersten Jahreszeit, auf den Ortler, war uns aufeinmaldoch wieder un klar. Unsere Eltern hatten uns die Sennhütte auf dem Scheibenboden hinterlassen, aber aus Haß gegen den Ortler und gegen den Scheibenboden und aus Haß gegen die Sennhütte und aus Haß gegen alles, was mit dem Ortler und mit dem Scheibenboden und mit der Sennhütte zusammenhängt, waren wir über zwei, wenn nicht gar drei Jahrzehnte nicht mehr durchs Suldental und hatten wir, weil wir jahrzehntelang in der Welt, nicht mehr in Gomagoi gewesen waren, überhaupt nicht mehr an die Sennhütte gedacht gehabt, waren wir nicht auf den Scheibenboden zur Sennhütte hinauf. Und jetzt stiegen wir auf den Scheibenboden. Aus einem uns selber immer zweifelhafter erscheinenden Grund aufeinmal, wie wir am Ende des Suldentals waren, war der Grund, weshalb auf den Scheibenboden, zweifelhaft. Wir redeten aber nicht darüber. Wir stiegen höher und höher und redeten nicht darüber. Wir dachten, wir zweifeln, aber wir sprachen nicht aus, daß wir zweifelten. Wir mochten beide gedacht haben: plötzlich hatten wir, in Gomagoi unten, wo wir uns aus Erschöpfung durch unsere, wie Sie wissen, sehr verschiedenen Professionen im Gasthaus Martell nur ein paar Tage aufhalten wollten, nur ein paar Tage, dann wieder zurück, nur ein paar Tage, dann wieder weg aus Gomagoi , tatsächlich, geehrter Herr, glaubten wir noch zwei Tage vorher, nur auf ein paar Tage in Gomagoi zu sein, dann plötzlich: längere Zeit auf dem Scheibenboden, zwei, drei Jahre in der Sennhütte , während aufeinmal wieder alles in Zweifel gezogen war, also, geehrter Herr, glaubten wir am Vorabend an die Dauerhaftigkeit unseres Entschlusses, daß wir auf zwei, drei Jahre in die Sennhütte auf dem Scheibenboden gehn werden, so plötzlich alles anders, am Vorabend noch der Einfall, sofort in der Frühe durchs Suldental in die Höhe, zu Inspektionszwecken hinauf zur Sennhütte in der Absicht, zwei, drei Jahre auf dem Scheibenboden oben zu bleiben, wir waren dieser plötzlichen Idee völlig verfallen gewesen, nicht, wie Sie denken werden, allein mein Bruder, wir beide,wir hatten nicht schlafen können und hatten nur an den Ortler gedacht, was wir vorhatten und dem Einfall am Abend war der Aufstieg am frühen Morgen gefolgt, eine mehr als zweifelhafte Skizzierung, werden Sie denken, und wie lächerlich muß Ihnen erscheinen, was Sie möglicherweise schon übermorgen durch die Post zugestellt bekommen, aber die Wahrheit ist folgende: plötzlich hatten wir, nach einem mehrere Stunden dauernden Hinundhergehen durch Gomagoi, die Vorstellung gehabt, die Sennhütte auf dem Scheibenboden unter dem Ortler könnte für unsere Zwecke nützlich sein: für einige Zeit , ich wiederhole, für zwei, drei Jahre nützlich. Und dann waren uns aufeinmal in Zweidrittelhöhe, Zweifel gekommen. Wir dachten aber aufeinmal, daß diese Zweifel mit unserer Aufstiegserschöpfung zusammenhängen und hatten plötzlich wieder keinerlei Zweifel. Und mit noch viel größerer Intensität stiegen wir höher. Wir hatten nurmehr noch eine gute Stunde. In dieser Zeit sagte mein Bruder folgendes, von mir jetzt, wenn auch nicht wörtlich, so beinahe wörtlich protokolliert: wir gehen nicht zum Laganda (zu dem schon erwähnten Gasthaus) hinunter, weil wir nicht daran denken, zum Laganda hinunter zu gehn, wie wir nicht nach Sulden hinein gehn, weil wir nicht daran denken, nach Sulden hinein zu gehn, oder, wir denken, wir gehn zum Laganda hinunter und gehn nicht zum Laganda hinunter und denken, wir gehen nach Sulden hinein usf. und gehn nicht nach Sulden hinein, wir sagen nicht, gehn wir zum Laganda hinunter, obwohl wir denken, wir gehn zum Laganda hinunter, sagen wir nicht, gehn wir nach Sulden hinein usf., wir hören, wir denken, wir gehen nach Sulden hinein, wir wissen, wir gehen nicht zum Laganda hinunter, weil wir wissen, daß wir nicht zum Laganda hinunter gehn usf., daß wir zum Laganda hinunter gehn, ist uns möglich, wie uns möglich ist, nach Sulden hinein zu gehn, aber wir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher